Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
so war es seine Ehre…«
» Joran… Was für ein schlichter Name für einen bösen Menschen!«, staunte Eline.
Elea wusste ganz genau, welche Wirkung ihre Antwort hervorrufen würde, aber sie gab sie dennoch: » Für ein Kind ist es schwer, den Namen ›Joranikar‹ auszusprechen.«
Wenn Elines azurblaue Iriden die Farbe hätten wechseln können, wären sie jetzt weiß geworden.
» Der…«
» Ja«, bestätigte Elea ernst. » Aber er verdient diesen Namen nicht mehr, und für mich heißt er ein für alle Mal Joran.«
» Aber er ist ein Barbar, ein Mörder, ein Ungeheuer!«, fuhr Eline fort.
» Barbaren sind doch wohl eher diejenigen, die sich an dem Kindermord nach meiner Geburt beteiligt haben, nicht wahr?«
Elines Gesicht erbleichte von neuem. » Willst du damit sagen, dass dieses Massaker auf dich abzielte?«
» Ja, und ich glaube, dass damals nur zwei Kinder überlebt haben– der kleine Sohn meiner Amme und ich.«
Das Wort Amme überraschte Eline.
» Das Ungeheuer hat eine Spitzenklöpplerin, ihre Tochter und ihren neugeborenen Sohn am Leben gelassen, die in den Verbotenen Wald geflohen waren. Du siehst, Joran mordet nicht immer.«
» Das war Berechnung. Ich bezweifle, dass er dir selbst hätte die Brust geben können«, bemerkte Eline sarkastisch.
» Er tut viele Dinge aus Berechnung, das stimmt, aber manche auch nicht.«
» Ganz gleich, wie böse er ist, er bedeutet dir viel«, sagte Eline. » Und du versuchst, Entschuldigungen für ihn zu finden. Ich glaube, dass ich dein Verhältnis zu ihm nie verstehen werde. Genauso wenig, wie du verstehst, was mich mit unserem Vater verbindet.«
» Vielleicht«, räumte Elea ein. » Aber Joran hat sich verändert. Er hat inzwischen viele Leute gerettet und mehrere Personen in sein Revier aufgenommen.«
» Ihr seid also so zahlreich, wie man sich erzählt?«
» Leider nein! Zu Anfang waren nur Ceban und Estelle da, meine Adoptivgeschwister. Dann haben wir vor fünf Jahren zwei Fremde aufgenommen, die auf der Flucht aus Akal waren: Eine gefolterte Scylin und den Akaler, von dem ich dir erzählt habe… Etwa zur selben Zeit hat Estelle sich in einen Bauern aus Ize verliebt. Das ist mein Riese, aber er ist im Moment verwundet«, setzte sie nachdenklich hinzu. » Dann…«
Sie konnte nicht von Gyl sprechen. Nein, ihr Herz hätte seinen Tod nicht erklären können. Sie schämte sich zu sehr für ihre Flucht. Sie sah von neuem die Scylen auf sich zugaloppieren, sie hörte, wie Joran ihr zuschrie, sich davonzumachen, und schloss lieber die Augen. Eline bemerkte den Schmerz, der über ihr Gesicht huschte, konnte ihn aber nicht verstehen, denn Elea fuhr fort, noch bevor sie eine Frage hätte stellen können: » …sind da noch zwei Soldaten und die Familie des einen von ihnen, die wir vor einem Jahr aufgenommen haben, und vor ein paar Tagen sind noch eine junge Dorfbewohnerin, die eine begabte Tänzerin ist, und eine Hexe hinzugekommen.«
» Eine Hexe?«
Elea erklärte ihr den Ursprung der Bezeichnung und die Geschichte dieser Frau, wie auch die der anderen, bis auf Gyl. Eline hörte vom Leben dieser Leute und träumte davon, ihnen zu begegnen. Sie stellte sich die Kinderschar vor, die durch den Verbotenen Wald tobte. Bis zu einem gewissen Grade begann sie daran zu glauben, dass Joran nicht gar so böse sein konnte. Wenn es auch in seinem Interesse liegen mochte, die Erwachsenen willkommen zu heißen, konnte bei den Kindern keine Berechnung dahinterstecken.
Anscheinend kannte das Ungeheuer nur Elea gegenüber kein Erbarmen, und wie alle Lehrmeister musste es sich bestimmt nur so verhalten, um seine Autorität zu wahren. Ohne Grund hatte es seiner Schülerin von seinem Leben und seiner Vergangenheit erzählt, und es schien auch etwas bessere Moralvorstellungen als ein gewöhnliches Monster zu haben, zumindest Elines Einschätzung nach. Leider war es noch weit davon entfernt, ein menschliches Wesen zu sein, aber Elea schien überzeugt zu sein, dass es sich auf einem guten Weg befand. Die Feen teilten ihre Meinung wohl, da sie dem Ungeheuer, statt ihm freie Bahn zu lassen, wieder um der Ehre willen zu töten, sobald es seine menschliche Gestalt zurückgewonnen hatte, einen anderen Daseinszweck verschafft hatten. Sie hatten ihm eine Liebe geschenkt: Imma. Blieb nur die Frage, ob die Hexe– auch, wenn sie blind war– ein Ungeheuer lieben konnte.
Und die, ob Eline Prinz Cedric lieben und von ihm geliebt werden konnte, wie sie es sich dank der Macht der Feen
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