Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
ausmalte.
Eline, die noch nie die Burg verlassen hatte, beneidete Elea um ihre Reisen und ihr Wissen. Elea hatte fünfzehn Länder in den verschiedenen Welten bereist: Zhol, die beiden Xylilasien, die drei Gänseländer, fünf der Schwarzen Lande und vier andere Gebiete, deren Namen sie nicht einmal kannte. Sie hatte die Heilkunst erlernt, ebenso wie all die anderen Fähigkeiten, die aus ihr eine hervorragende Kämpferin machten. Eline war entzückt und vergaß darüber ganz den Lehrmeister.
Während Elea ihrerseits davon träumte, derart kultiviert und fürstlich wie Eline zu sein, sah diese sich in der Haut ihrer Schwester und malte sich begierig und leidenschaftlich all ihre Abenteuer aus. Eline sehnte sich nach Freiräumen und Flucht.
Die Nacht schritt fort, die Wolken verschwanden, die Zeit verging. Im angrenzenden Zimmer wartete eine Prinzessin. Eline und Elea hätten sich gern die ganze Nacht lang unterhalten, aber die Heilung ihrer Schwester war das letzte Hindernis, das sie von ihrer jeweiligen Freiheit trennte.
» Übermorgen komme ich zurück«, versicherte Elea. » Und ich werde etwas herausgefunden haben. Ganz gleich, wie selten die Pflanze ist, nach der manche der Ärzte gesucht haben, in den Dunklen Wäldern werde ich sie finden. Ich bringe sie her.«
In Elines Augen stand ein Licht; Furcht und Hoffnung vermengten sich in ihrem Herzen. Es gelang ihr, daran zu glauben. Die beiden Schwestern konnten sich so nicht trennen: Sie schlossen einander in die Arme.
Dann beugte Elea sich unter Elines erstauntem Blick halb ins Leere und holte mit drei Messerwürfen ins Turmdach das Seil zurück, das ihr zum Hochklettern gedient hatte. Das Märchenhafteste, was Eline zu sehen bekam, war aber ein seltsamer Vogel, der die drei Messer zurückholte. Elea nahm alles wieder mit, was ihre Anwesenheit im Nachhinein hätte verraten können. Für den Abstieg befestigte sie das Seil am Haken des inneren Fensterladens oberhalb des Fensters, so dass Eline es leicht losknoten und später wieder anbringen konnte.
» Dank dem Grafen von Allenberg in meinem Namen«, sagte Eline, bevor Elea ging.
» Andin?«
» Ja, Andin«, bestätigte Eline und lächelte schon bei dem Namen.
» Das werde ich nicht vergessen«, versprach Elea in ernstem Ton.
Sie ließ sich aus dem Fenster gleiten. Eline hielt sie noch ein wenig zurück.
» Liebst du ihn?«, flüsterte sie neugierig.
Elea war einen Moment lang verdutzt und erstaunt. Selbst im Dunkeln musste ihre Gefühlsbewegung zu erkennen sein.
» Du musst nicht erst bejahen, deine Verwirrung ist offensichtlich«, lächelte Eline. » Beeil dich fortzukommen, in weniger als zwei Stunden wird es hell. Bis übermorgen!«
Elea sagte ihr ebenfalls auf Wiedersehen, ohne ihre letzte Frage zu verstehen, und ließ sich stumm den gesamten Turm hinabgleiten. Einige Sekunden später band Eline auf ihre Bitte hin das Seil los, und ein flüchtiger Schatten verschwand wieder im Dickicht.
Eline war plötzlich leicht ums Herz. Tief seufzend drehte sie sich zu ihrem Bett um. Sie legte ihre letzten Schmuckstücke und ihren Hausmantel ab und wollte sich zum Schlafengehen bereit machen, als ein großer Schatten an einem der Fenster das Licht der Nacht verdunkelte. Eline stieß beinahe vor Überraschung einen Schrei aus, aber das Tier war ein großer, weißer Vogel mit roten Federn.
Beim Anblick des Geckenstolzes zügelte Eline ihre Freude, indem sie eine Hand auf den Mund presste. Prinz Andin hatte ihr gesagt, dass der Vogel ihr einen Brief von seinem Bruder Cedric bringen würde, aber sie hatte nicht daran glauben wollen. Langsam näherte sie sich dem prächtigen Tier. Es ließ zu, dass sie die Botschaft von seinem Fuß löste, und gurrte beinahe unter ihrer Liebkosung. Eline war bezaubert.
Närrisch und schon verliebt entzündete sie die dritte Kerze dieser Nacht und warf sich auf ihr Bett, um die Nachricht zu lesen. Sie musste sie mindestens zehnmal lesen und drückte ihre Satinkissen an sich, während sie an den Prinzen dachte. Sie musste ihm schreiben! Einen Moment lang schreckte sie noch vor dieser Geste zurück: Was sollte sie ihm nur antworten? Aber als ihre Feder das Papier berührte, ergriff ihr Herz das Wort und die Sätze strömten unter dem Eindruck der Leidenschaft nur so aus ihr hervor.
Mit Kirschen gefüttert und mehr denn je gestreichelt, brach der Geckenstolz wieder in sein Botenvogeldasein auf, ständig auf der Suche nach seinem Herren. Eline sah ihm nach, die Ellenbogen aufs
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