Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Kind weiter.
Aber das Mädchen mit den langen, braunen Zöpfen weinte noch immer. Elisa hatte mittlerweile die ganze Kinderschar des Verbotenen Waldes kennengelernt und tröstete nicht zum ersten Mal jemanden.
»Möchtest du einen Verband?«
Das kleine Mädchen nickte laut schniefend unter Tränen. Die junge Prinzessin hob den Rock und riss ohne Zögern einen Streifen von ihren Unterröcken ab. Vorsichtig wusch sie die Wunde mithilfe des Wassers, das noch im Eimer war, und band dann den Spitzenstreifen um das aufgeschlagene Knie.
»Ist alles wieder besser?«
Die Kleine nickte und wischte sich angesichts der üppigen Stickereien, die sich merklich rot färbten, die Tränen ab.
»Ist… ist das Seide?«, fragte sie, während ihr Schluckauf sich langsam legte.
»Ja, du hast den schönsten Verband auf den Welten!«
»Oh ja! Jetzt tut es mir auch gar nicht mehr weh.«
Elisa lächelte.
»Seid Ihr eine der Prinzessinnen von Leiland?«, fragte die Kleine. »Im Herrenhaus des Herzogs von Yil hängt ein Porträt von Königin Onemie. Ihr seid sogar noch schöner als sie.«
»Danke, das ist sehr lieb von dir.«
»Warum tragt Ihr keinen Schleier?«, fragte das Mädchen. »Gibt es keine Verbotenen Gesetze mehr?«
Das Räderwerk der Neugier war in Gang gekommen.
»Sagen wir es so: Auf diese Weise ist alles einfacher. Je schneller die Leute mein Gesicht sehen, desto schneller werden auch die Verbotenen Gesetze ihre Geltung verlieren.«
Die Kleine wiegte den Kopf, ohne ganz zu verstehen.
»Es schimpft aber doch niemand mit Euch, weil Ihr Euren Unterrock zerrissen habt?«
Elisas Lippen kräuselten sich ein wenig.
»Oh, wenn meine Anstandsdame mich dabei ertappt hätte, hätte sie mich laut angeschrien. Aber sie ist nicht mehr da, und wenn ich mir den Rock wieder glattstreiche, sieht es ohnehin niemand.«
»Ich wäre gern eine Prinzessin. Dann müsste ich nicht mehr jeden Abend Wasser holen!«
»Nein, aber dafür dürftest du niemals laufen, niemals weinen, niemals ins Freie gehen.«
»Oh, wirklich?«
»Eine Burg ist wie ein enger Käfig. Es gibt immer genug zu essen und Wasser, das Nest ist aus Seide und die Gitterstäbe sind aus Gold, aber man hat keinen Platz, die Flügel zu spreizen und zu fliegen«, antwortete die Prinzessin melancholisch.
»Aber Ihr seid doch draußen.«
»Ich bin entwischt, aber morgen Abend, wenn ich heirate, schließen sich die Käfigtüren sicher wieder.«
Das kleine Mädchen antwortete nicht. Irgendwo brach ein ganzes Weltbild zusammen.
Elisa stand auf und nahm den Eimer, um ihn erneut zu füllen. Die Kette knirschte, als sie sich abrollte und der Eimer ins tiefe Wasser eintauchte. In dem Moment, als Elisa die Winde ergriff, um den Eimer hochzuziehen, legte sich eine große Hand neben ihre.
»Kann ich Euch helfen?«, fragte Philip.
Die junge Prinzessin drehte sich um, überrascht, ihren Prinzen zu sehen, und ihr Herz klopfte einen Schlag zu viel. Sie kam nicht dazu, ihm zu antworten. In Windeseile hatte er schon den vollen Eimer hochgezogen: Er machte nie halbe Sachen. Sein Auftreten ließ vermuten, dass er selbstsicher war– und doch wich sein Blick ihr aus.
»Ich… Ich hatte nie die Absicht, Euch einzusperren«, sagte er in unsicherem Tonfall und stellte den Eimer auf den Brunnenrand. »Die Wasserfälle von Anderra, das Jasmintal von Tirak oder die blauen Wüsten in den Xylilasien sind alles Orte, die ich Euch gern zeigen würde. Natürlich nur, wenn Ihr Euch nicht vor langen Reisen fürchtet.«
Elisas Herz lächelte so sehr wie ihr Gesicht. Das waren die einzigen Sätze, die sie von Philip zu hören gehofft hatte!
»Ich habe schon keine Angst mehr vor dunklen Höhlen, schlammigen Wasserflächen und Ungeheuern. Was sollte ich an Eurer Seite wohl fürchten?«
Philip lockerte mit einem Finger nervös den zu engen Kragen seines Wamses. Er verzichtete auf eine Antwort und hätte ohnehin kein Wort herausgebracht. Er sagte Elisa auch nicht, dass die losen Fäden des Unterrocks unter ihrem Überrock hervorhingen, wie man im strahlend hellen Licht der Monde erkennen konnte. Er brachte nur ein unbeholfenes Lächeln zustande.
Das kleine Mädchen hob in der tiefen Stille, die sich über das Paar gesenkt hatte, leise den Eimer hoch: Elisa wartete ab, ohne den Blick von Philip zu wenden, und dieser suchte nach unverfänglichen Formulierungen, um seine Verwirrung zu verbergen. Wie sollte er dieser wunderschönen Prinzessin sagen, dass die Worte, die er sie gerade hatte sagen hören,
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