Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Eindringen erleichtern. Was die Burggräben betraf, hatte Erwan seine Mixtur verbessert. Der kleine Mann erschien den Pandemern sehr kostbar.
»Habt Ihr auch Mittel, die gegen die Scylen wirken?«
»Nein«, antwortete Erwan. »Ich stelle keine mehr her. Es ist zu gefährlich für…«
Er brachte es nicht über sich auszusprechen, dass seine Tochter über das Zweite Gesicht verfügte. Seit er darüber Bescheid wusste, hatte er keine neuen Phiolen mit Blendrauch mehr herstellen können. Die bloße Möglichkeit, dass eine von ihnen in Chloes Gegenwart zerbrechen könnte, hatte ihn diese Waffe aufgeben lassen.
»Die Scylen sind nur noch zu zweit und sind auch nicht gefährlicher als gewöhnliche Soldaten, wenn man seinen Geist abzuschirmen versteht.«
Aber wenn die Burg Widerstand leistete? Frederik von Pandema hatte nicht genug Männer mitgebracht, um eine Belagerung durchzuführen, aber er setzte auf einen schönen Sturmangriff. Wie Joran wusste er, dass die Hochgeister ihre Kräfte zurückgewinnen würden, und fürchtete sich daher vor keiner Schlacht. Überdies hatte Thalan ihnen die Lage jeder noch so kleinen Ausfallspforte der Burg verraten. Die Wachwechsel hatte Joran ausgespäht. Und was das Innere des Palasts betraf, so kannte Eline dort alle Geheimgänge.
Von allen Seiten wurden Taktiken vorgeschlagen, Pläne wurden ausgetauscht, ebenso Ängste und Hoffnungen. Es gab keine Zurückhaltung mehr, und die abweichenden Meinungen waren nicht mehr kulturellen Unterschieden geschuldet. Es waren noch nicht einmal mehr zwei Länder, die in dem großen Saal mit seiner warmen Wandvertäfelung versammelt waren: Über dem prächtigen Kamin mit seinem Feuer schien nur noch eine einzige Fahne zu hängen.
Der ganze Kriegsrat hatte Prinzessin Elisa innerlich erschöpft, doch sie hatte sich nicht entschließen können schlafen zu gehen. Seit ihrem Erwachen fiel es ihr schwer, jeden Abend die Augen zu schließen. Allein und nachdenklich schritt sie durch einen nach außen offenen Gang. Sie schlug die Kapuze ihres Mäntelchens hoch und zog sich den dichten Hermelinpelz über die dunkelblonden Locken. Auf dem Hof, der vom weißen Licht der Monde und den bernsteinfarbenen Fackeln erhellt wurde, sah sie, ohne sich darüber zu freuen, die Soldaten aus Pandema neben den leiländischen Bauern lagern.
Sie spürte tief im Herzen Beklommenheit, die weder den Gefahren der bald drohenden Schlachten noch dem, was dabei auf dem Spiel stand, galt. Widersinnigerweise war ihre erzwungene Hochzeit das, was sie so schmerzte. Auf welchen Ausgang des Kampfs sollte sie hoffen, wenn sie doch der Zukunft nichts abgewinnen konnte, die auf einen Sieg unweigerlich folgen würde?
Elisa hatte drei Wochen lang eine solche Freiheit gekostet! Sie war durch Hunderte von Dörfern gereist, hatte Tausende von Menschen gesehen. Sie hatte Elend, Leid und Tod kennengelernt, aber auch die Einfachheit und Großzügigkeit eines Lebens auf dem Lande. Sie hatte ihre Hände in Blut getaucht, um zusammen mit Elea nach Kämpfen Verwundete zu retten. Sie hatte sich mit Mehl bestäubt, als sie der blonden Ophelia beim Fladenbacken geholfen hatte. Sie war auf Bäume geklettert, tagelang galoppiert und hatte geweint, wenn sie sterbenden Bauern die schwieligen Hände gehalten hatte. Sie hatte sich im Gras gewälzt und sogar im Meer gebadet.
Elisa wusste nicht mehr, wie alt sie im Kopf war, aber sie hielt sich auf jeden Fall für zu jung, um zu heiraten. Die Sehnsucht nach Liebe war bei ihren Entdeckungen verflogen. Sie hatte keine Lust, auf eine Burg zurückzukehren, um dort ein Leben zu fristen, dessen Takt von Gesetzen und Etikette vorgegeben wurde. Lieber wollte sie reisen, fliehen, die sechs verlorenen Lebensjahre aufholen. Rein äußerlich stieß sie an Prinz Philip nichts ab, sie hatte aufrichtig gespürt, wie sich ihr Herz bei seinem Anblick zusammengekrampft hatte. Unwiderstehliches Begehren hatte sie zu ihm hingezogen, aber was für einen Ehemann würde er abgeben? Er wirkte kühl und hatte bisher noch nicht einmal mit ihr gesprochen.
Ein leises Schluchzen riss sie aus ihren Gedanken. Nahe beim Brunnen am Rande des Hofs bemerkte sie ein kleines Mädchen, das sich um sein Knie krümmte. Neben der Kleinen lag ein umgestürzter Wassereimer. Elisa war schon hinzugeeilt; mit drei tröstenden Worten und einem Streicheln gelang es ihr, die Hände zu lösen, die sich um die Verletzung geschlossen hatten.
»Das ist nichts Schlimmes, meine Kleine«, beruhigte sie das
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