Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
blieb.
Ihre Schwester bemerkte nichts und half ihr aufzustehen. An ihren Arm geklammert und steif wie ein Zaunpfahl– sie wiederholte sich im Geiste Mistras Ratschläge über die richtige Haltung!– ging Elisa in den Hof hinunter. Dennoch senkte sie den Kopf, denn sie war es nicht gewohnt, ihr Gesicht zu zeigen. Sie fürchtete alle Blicke, denen sie begegnete, so sehr! Aber ihr Auftreten wirkte, als sei es auf den Tod des Königs und die düstere Stimmung zurückzuführen, die auf den Höfen herrschte.
»Hören die Glocken denn nie zu läuten auf?«, flüsterte sie und biss die Zähne zusammen, um die Schmerzen in ihrem Herzen und in ihren Beinen zu unterdrücken.
»Nicht vor Einbruch der Nacht, Elisa, nicht vor Einbruch der Nacht. Mir tun sie auch weh.«
Sie spürte, wie die Hand ihrer Schwester auf ihrem Unterarm erstarrte, so, als wolle sie ausdrücken, dass sie am Ende ihrer Kräfte war.
»Denk an Philip«, flüsterte Eline.
»Philip?«
»Das ist der Vorname deines Prinzen.«
Elisa hatte keine Angst vor Korta, zumindest nicht so viel wie Eline. Sie konnte sich das Ausmaß der Gefahr, die von ihm ausging, nicht vorstellen. Deshalb wandte Eline die List an, ihrer Schwester Liebe zu verheißen, um sie so dazu zu bringen, über ihre Kräfte hinauszuwachsen.
Die Prinzessinnen begegneten Dienern mit ernsten Mienen, gingen um am Boden ausgestreckte Handwerker und weinende Mägde herum. So gelangten sie schließlich in die Ställe, ohne zu viele Blicke auf sich zu ziehen. Elisa glaubte, bald ohnmächtig zu werden. Ihre Schwester hatte viel Mühe damit, das zu verhindern. Völlig außer Atem gelang es ihr, sie auf eine Strohgarbe zu setzen. Elisa schwitzte und all ihre Muskeln zitterten. Eline wischte ihr die Stirn mit ihrer Schürze ab. Sie hatte solche Angst, dass ihre Schwester wieder einschlafen könnte– diesmal für immer–, dass ihr die Sorge von den Augen abzulesen sein musste.
»Prinz hin oder her, ich will nicht mehr altern, ohne mir dessen bewusst zu sein. Ich will leben«, versicherte Elisa ihr. »Ich schaffe es bis zum Pferd.«
Sie nahm die Hand ihrer Schwester und stand wieder auf. Sie gingen ein Stück weit über Strohhalme und gelangten in die Stallungen des Adels. Eline setzte die völlig erschöpfte Elisa hin und machte sich auf die Suche nach zwei Sätteln.
Im Zwischengeschoss lag der junge Stallbursche, der für diesen Teil der Ställe verantwortlich war, im Heu und betrachtete die Deckenbalken. Er kaute sehnsüchtig auf einem Strohhalm herum. Die Glocken sagten ihm, dass es trotz des strahlenden Sonnenscheins ein düsterer Tag war. Er fragte sich, ob die Feen die Menschen etwa ihrem traurigen Schicksal überlassen hatten. In der Großen Ebene herrschte Krieg, und der Herzog von Alekant würde den Platz des Königs einnehmen. Dabei war das Leben doch schon schwer genug!
Dann hörte er ein Geräusch unter sich, das ihn aus seinen trüben Gedanken riss. Eine junge Magd versuchte, einen Sattel vom Gestell zu heben. Er wollte gerade grob und erbarmungslos auf die diebische Elster losfahren, als er bemerkte, dass eine zweite Dienstbotin in einiger Entfernung saß und dass alle beide so hübsche Gesichter hatten, dass man davon schier verrückt werden konnte.
Er stieg lautlos über die Leiter in den Nebenraum hinab und ging leise zu den beiden jungen Mädchen.
»Guten Morgen, meine Süßen«, sagte er mit einem charmanten Lächeln. »Braucht ihr ein Pferd, um nach Etel zu reiten? Meister Loic zu euren Diensten«, schloss er und verneigte sich.
Eline wagte es nicht mehr, sich zu rühren, und Elisa starrte einen kleinen Lehrling an, der über Nacht zu einem jungen Mann in verantwortlicher Stellung geworden war.
»Es muss dir doch nicht die Sprache verschlagen, meine Schöne«, sagte er, ermutigt davon, dass sie ganz gebannt von ihm wirkten, während er Eline den schweren Sattel aus den Händen nahm. »Ein Lächeln, dann sattele ich hiermit jedes Pferd, das du haben möchtest. Du kannst mir ja hinterher immer noch einen Kuss geben.«
Eline unterdrückte ein kleines Lächeln, das den jungen Mann bezauberte. Sie hätte von ihm verlangen können, den Mond und sein Spiegelbild vom Himmel zu holen.
»Ich hätte gern zwei Pferde, Meister Loic, und zwar bitte die schnellsten.«
Der Stallbursche hätte im siebten Himmel schweben müssen, aber stattdessen fiel ihm der Sattel aus den Händen. Er kannte von Prinzessin Eline nur die Stimme, aber er hatte die Art wiedererkannt, wie sie das Wort
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