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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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dass Mando wieder mehr als nur einen Satz hintereinander sprach. »Selbst George Canning hat uns Griechen als ›einen Haufen von Gaunern‹ bezeichnet.«
    »Er soll so aussehen wie Ypsilanti«, sagte Mando abfällig. »Dimitri Ypsilanti, natürlich, den anderen habe ich ja nie gesehen, der sitzt immer noch hinter Metternichs Gittern.«
    Marcus schwieg.
    Er schreckte auf, als er einen schrillen Schrei vor dem Haus vernahm. »Was war denn das?«, rief er entsetzt.
    »Mein Pfau«, erwiderte Mando. »Vassiliki hat ihn für mich gefunden und ärgert sich jetzt schrecklich über seine Schreie. Mich stören sie nicht, manchmal wünschte ich, dass ich auch so einen Ton von mir geben könnte.«
    Marcus lächelte. »Wusstest du, dass der Pfau das Symbol der Zeusgemahlin Hera ist?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete sie überrascht, »ist das eine Anspielung auf ihren Stolz?«
    »Unter anderem«, erwiderte er, »und darauf, dass die Ehe und das weibliche Leben ihre Domäne ist. Hast du dich jetzt von Aphrodite in Hera verwandelt?«, fragte er etwas traurig.
    Zwischendurch war ich auch mal Pallas Athene, dachte sie, aber von diesen drei Göttinnen gefiel ihr Hera am wenigsten. Und nicht nur deshalb, weil sie bei ihrer Geburt von ihrem Vater erst aufgefressen und später wieder ausgespuckt wurde.
    Wie konnte sie Hera sein, wenn diese Schutzgöttin von Argos war, wo sich Mando den Arm gebrochen hatte! Ihrem Gemahl Zeus sollte Hera allerdings auch in Euböa näher gekommen sein – wie sie Ypsilanti. »Hera ist die Beschützerin der Ehe«, sagte sie, »das dürfte auf mich kaum zutreffen.«
    »In Arkadien«, meinte Marcus, »wird sie als Mädchen, Ehefrau und Witwe verehrt, stellt also sämtliche Phasen der Frau dar.«
    »In meinem Fall sehen die Phasen anders aus«, meinte Mando, und Marcus freute sich, dass er endlich wieder ein richtiges Gespräch mit ihr in Gang hatte bringen können.
    Aber sie wollte sich nicht mehr über Göttinnen unterhalten und kehrte zu dem Thema zurück, das durch den Schrei des Pfaus unterbrochen worden war. »Wusstest du, dass Byron sein ganzes Vermögen für die Befreiung Griechenlands ausgegeben hat?«, fragte sie ihn.
    »Da war er wohl nicht der Einzige«, erwiderte Marcus beziehungsreich.
    »Aber wo sich der Dichter jetzt befindet, braucht er kein Geld«, sagte sie bitter. »Ich wünschte, ich wäre auch tot!«
    »Mando, sag so etwas nicht!« Er konnte nicht mehr an sich halten, fiel vor ihr auf die Knie und legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Lange Zeit rührte sie sich nicht und schwieg. Dann bewegte sie ganz langsam eine Hand auf Marcus' Kopf zu und strich ihm über das lange auffallend glatte Haar, durch das sich jetzt einzelne graue Strähnen zogen. Erleichtert atmete Vassiliki vor dem Schlüsselloch auf.
    Nach einer Weile hob er den Kopf und sah sie fragend an.
    »Nein, Marcus«, flüsterte sie und zog ihre Hand zurück, »noch nicht.«
    Wenigstens ein Funken Hoffnung, dachte er, als er sich erhob und seinen Stuhl näher zu ihr hinschob.
    »Willst du mir nicht deinen Kummer erzählen?«, fragte er. »Du weißt doch, dass ich dich liebe, dass ich dich vor allem Übel dieser Welt beschützen und dich vor deinen Feinden verteidigen will.«
    »Mein Feind sitzt in Nauplia und zahlt dir dein Gehalt.«
    »Seit wann ist dein künftiger Ehemann dein Feind?«
    Den Namen konnte er immer noch nicht aussprechen.
    »Dimitri Ypsilanti ist nicht mein künftiger Ehemann.«
    Diese Nachricht nahm ihm fast den Atem. Mando ist wieder frei, jubelte es in ihm.
    »Dann hat er das Verlöbnis gelöst?«
    »Nein.«
    »Du hast es rückgängig gemacht?«
    »Nein.«
    Er verzweifelte schier, dass Mando jetzt wieder zu den einsilbigen Antworten zurückkehrte. Er wollte sich damit nicht mehr abspeisen lassen. »Heraus damit!«, fuhr er sie an. »Ich möchte jetzt wissen, was passiert ist! Ich habe ein Recht darauf!«
    »Ich auch«, ertönte zu beider Überraschung Vassilikis Stimme von der Tür her. Die Dienerin baute sich vor Mando auf und funkelte sie mit ihren schwarzen Vogelaugen an. »Du wirst es uns beiden sofort sagen!«
    Noch nie hatte Mando Vassiliki so außer sich gesehen. Den Hauptgrund dafür konnte sie nicht wissen. Dimitri Ypsilanti, der bald hinter Vassilikis Lausch-Leidenschaft gekommen war, hatte in den letzten Wochen nämlich dafür gesorgt, dass Jaja die Dienerin immer ablenkte, wenn er mit Mando zusammen war. Daher hatte Vassiliki weder seinen Angriff auf ihr Püppchen noch den Streit um den

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