Die Rebellin
dass das Kind noch nicht getauft worden war und nahm Marmellakis das Versprechen ab dieses Versäumnis in Nauplia sofort nachzuholen. Zu ihrer Begeisterung bot sich Mando als Taufpatin an.
Unterwegs bat Lena Mando, doch einmal den grünen Kasten zu öffnen. Sie wolle so gern sehen, was sie beinahe erbeutet hätte. Mando tat ihr den Gefallen und Lena blieb lange andächtig vor der Zeusstatue sitzen.
»Der liebe Gott«, flüsterte sie, »gleich steht er auf und richtet mich für meine Sünden!«
»Nein, Lena«, meinte Mando, »Gott sieht nicht nur Taten, er sieht auch, dass du ein gutes Herz hast.«
Trotzdem war Lena froh, dass sie sich diesen eindrucksvollen Gegenstand nicht unrechtmäßig angeeignet hatte. Amüsiert beobachtete Mando, dass sie sich jedes Mal bekreuzigte, wenn sie an dem grünen Kasten vorbeikam.
Vassiliki hatte die ganze Reise über fast kein Wort gesprochen. Ihre Augen blickten missbilligend, ihr Mund war ein schmaler Strich und sie würdigte weder Marmellakis noch seine Frau eines Blickes.
Erst nach vierundzwanzig Stunden machte sie den Mund auf, um ihm ein einziges Wort entweichen zu lassen: »Warum?«
»Rache«, antwortete Mando genauso einsilbig.
Monatelang hatte sie über den Plan nachgedacht, das Kind seinem echten Vater zuzuführen und immer wieder hatte sie sich vorgestellt, wie sie dem verheirateten Marcus gegenüberstehen würde. Dass ausgerechnet Marmellakis ihr Schiff überfallen hatte, sah sie als ein Zeichen. Ihr fiel ein, dass sie alle wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben spontan gemacht und diese nie bereut hatte. Mit ihren Plänen war es ihr anders ergangen. Ich bin eine schlechte Planerin, dachte sie, ich funktioniere am besten, wenn ich in einer unerwarteten Situation reagieren muss.
Diese Erklärung verschaffte ihr einen hervorragenden Grund, Marcus nicht wieder sehen zu müssen. Ich würde es nicht ertragen, ihn neben einer anderen Frau zu sehen, die vor Gott und dem Gesetz die seine ist, gestand sie sich ein. Teetrinken mit dem Ehepaar? Gottbehüte! Sie würde sämtliche Teetassen gegen sämtliche Wände werfen, ihre Tochter packen und schreiend aus dem Haus laufen. Sie verdrängte den entsetzlichen Gedanken, dass er einer anderen so nahe wie ihr kommen, ihr möglicherweise sogar sein Zeichen einbrennen könnte!
Ihre Tochter, die auch die seine war, würde ihn ständig an sie erinnern und genau darum hatte sie diesen Plan auch gefasst.
Aber würde sie gern jemanden um sich haben, der sie ständig an den einzigen Menschen erinnerte, den sie liebte und verloren hatte? Würde sie dann nicht versuchen diesen Menschen, nach dem verlorenen Ebenbild zu formen, ihm das Eigene zu nehmen? Wollte sie wirklich, dass ihre Tochter so aufwuchs und möglicherweise so wurde wie sie? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Marcus' Liebe zu ihr erloschen war, und sie stellte sich vor, wie er sie vielleicht sogar auf den schrecklichen Namen Magdalini würde taufen lassen!
Irgendwann, dachte sie, wird die kleine Mando in seinem Leben wichtiger als die große sein. Zum ersten Mal keimte ein wenig Verständnis für Zakarati in ihr auf.
Lena würde für ihr Kind gut sorgen, es nicht mit Erwartungen befrachten und außerdem wohnte sie auf Mykonos. Mando würde ihre Tochter aufwachsen sehen können.
Aber zuerst musste sie nach Nauplia. Sie fühlte sich jetzt stark genug ihr Recht einzuklagen. Sie wollte das Geld zurückhaben, das ihr versprochen worden war, und vor allem wollte sie Ypsilanti zu Rechenschaft ziehen. Sie wollte Rache. Er hatte das Verlöbnis gelöst, auch wenn sie dies noch nicht schriftlich hatte, und er würde dafür teuer bezahlen müssen.
In Nauplia bot Marmellakis ihr und Vassiliki an, so lange auf seinem Boot zu wohnen, bis das kleine Mädchen getauft war und sie wieder aufbrechen mussten.
»Was schenkst du denn deiner Tochter zur Taufe?«, fragte Vassiliki bissig.
»Den grünen Kasten«, antwortete Mando einfach. »Oder wüsstest du eine bessere Verwendung dafür?«
»Mach ihn zu Geld.«
Mando schüttelte den Kopf.
»Ich möchte nur das Geld, das mir zusteht. Lena wird gut auf die Statue aufpassen.«
Vassiliki kniff den Mund noch mehr zusammen. Hatte sie den grünen Kasten aus dem Harem des Sultans, aus dem Palast in Jannina, aus dem Hohlraum in Ypsilantis Haus gestohlen, damit er in der Wohnung eines Seeräubers aufgestellt wurde?
Mando fand ein Haus in der Innenstadt von Nauplia. Es war eine halbe Ruine, aber mehr konnte sie sich nicht leisten. Sie war
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