Die Rebellin
uns die englischen Banken behandelt haben! Ich traue den Engländern nicht«, meinte Kapodistrias. »Die sind nur an der Expansion des eigenen Imperiums interessiert und würden Sympathie heucheln, um ihr Ziel zu erreichen. Außerdem haben sie eine höchst unangenehme Neigung zur Selbstüberschätzung.« Er lächelte grimmig. »Ich habe mich zu lange mit Geschichte und Diplomatie beschäftigt, um nicht zu wissen, was diesem Inselkönigreich eines Tages fatal sein wird.«
Mando sah ihn fragend an.
»Selbstüberschätzung.«
»Und was ist mit Frankreich?«, erkundigte sich Mando.
»Sie denken an Ihr geliebtes und nie gesehenes Paris, nicht wahr! Zu der französischen Fraktion gehören die aus dem Ausland heimgekehrten Intellektuellen – eigentlich solche Leute wie ich, die sich in Griechenland selber nicht gut auskennen. Aber die meisten geben sich auch keine Mühe das Land, das sie zu befreien helfen, kennen zu lernen, und daher sehe ich keine Chance, dass sie den Menschen hier wirklich helfen können. Angeführt wird diese Gruppe durch Jannis Kolettis …«
»… ein hochintelligenter Mensch und skrupelloser Intrigant«, nickte Mando.
»Das haben Sie gesagt!«, bemerkte der Graf, ohne zu widersprechen.
Sie unterhielten sich noch eine Weile über Politik, wobei es der Graf sorgsam vermied, den Namen Ypsilanti zu erwähnen oder Mando auch nur die Möglichkeit zu geben ihn nebenbei fallen zu lassen. Verzweifelt überlegte sie, wie sie auf das Thema der aufgelösten Verlobung kommen und Kapodistrias bitten könnte ihr zu dem versprochenen Geld zu verhelfen.
»Wissen Sie, dass ich jeden Tag mehrmals an Sie denke?«, fragte er plötzlich und wies mit der Hand zur Tür. Mando wandte sich um und sah über dem Türrahmen das Schwert ihres Vaters hängen.
»Sie hätten es für sehr viel Geld verkaufen können«, bemerkte der Graf leise, »und mir ist bekannt, dass Ihre finanziellen Verhältnisse unter dem Krieg sehr gelitten haben. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich eine Regelung getroffen habe …«
Mando hielt die Luft an.
»… Ihnen werden rückwirkend vom ersten Januar dieses Jahres an achtundvierzig Adler-Münzen monatlich ausbezahlt werden«, fuhr er fort, »und außerdem erhalten Sie einen kleinen Zuschuss für Ihr Personal. Es tut mir Leid, dass eine Heldin der Revolution mit so wenig abgefunden wird. Sie dürfen mir glauben, dass ich versucht habe mehr für Sie herauszuschlagen, aber wie ich schon sagte – die Verantwortlichen in diesem Land sind sich in vielen Dingen uneinig.«
Es war wirklich sehr wenig, aber besser als gar nichts. Mando konnte sich schon vorstellen, wie der Graf in ihrem Sinne mit seinen Gegnern verhandelt hatte, und sie war ihm dafür dankbar. Nur konnte sie jetzt unmöglich von ihm verlangen auch noch Dimitri unter Druck zu setzen. Der Prinz dürfte einer der wenigen Getreuen sein, die ihm geblieben waren.
Bevor sie sich verabschiedete, lud Kapodistrias sie zu einer Theateraufführung am kommenden Sonnabend an.
»Es wird die ›Orestie‹ des Aischylos gegeben«, informierte er Mando.
Etwas Geld war zwar besser als gar nichts, aber trotzdem würde die zugesagte Summe nicht ausreichen, um alle Ausgaben zu bestreiten, vor allem nicht die Prozesskosten, die auf sie zukommen würden, wenn sie Dimitri vor den Richter schleppte. Und das hatte sie vor. Aber sie brauchte einen Anwalt.
Auf dem Rückweg von ihrem Besuch bei Kapodistrias fiel ihr ein besonders kunstvoll gemaltes Schild in die Augen: ›Aristoteles Vlachos, mit allen neuen Gesetzen vertraut‹.
Sie erinnerte sich an den jungen Mann, der ihr erst zur Heirat geraten und sie dann zu ihrem später ausgebrannten und ausgeraubten Haus geführt hatte und trat ein.
Er erkannte sie sofort und zeigte ihr stolz sein neues eigenes Büro. Er habe sich selbstständig gemacht, weil er erkannt habe, dass eine Anstellung bei der neuen Regierung eine finanziell recht unsichere Angelegenheit sei.
»Vor allem wenn man Frau und Kinder hat«, erinnerte sich Mando.
Er blickte verlegen weg. Die habe er nun nicht mehr, seit sich sein bester Freund ihrer bemächtigt hätte. Allerdings habe das den Vorteil, dass er für sie nicht zahlen müsse. Seine ehemalige Gattin habe zwar versucht ihn wie eine Weihnachtsgans auszunehmen, aber seine Kenntnis der Gesetze habe ihn vor ihren üblen Absichten gerettet. Bei böswilligem Verlassen sei er ihr keinen Pfennig schuldig, eher müsse sie ihn abfinden.
Interessiert hörte Mando zu
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