Die Rebellin
sie Letzteres versucht.«
»Aber warum ist sie dann gerichtsnotorisch?«, fragte Mando Vassiliki. Sie brachte es immer noch nicht fertig, das Mädchen persönlich anzusprechen.
»Sie ist ein paarmal aufgegriffen worden, weil sie abends allein durch Nauplia lief«, erklärte Jorgo.
»Ich habe doch nur Arbeit als Näherin gesucht!«, rief Poppy.
»Und wie hat sie dann Jorgo kennen gelernt?«
»Er kommt aus meinem Dorf«, murmelte Poppy, »er kannte mich und hatte Mitleid mit mir.«
Warum die beiden nicht einfach heirateten, erkundigte sich Mando, dann würde sie Poppy einstellen. Das ginge nicht, meinte Jorgo verlegen.
»Jorgo ist doch ihr Cousin!«, platzte Vassiliki heraus. Die beiden sahen sie erschrocken an, aber Vassiliki hatte nur Augen für ihr Püppchen.
Mando wandte sich ab. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr, als sie Vassiliki den Auftrag gab das Mädchen in den Haushalt einzuweisen.
Aristoteles Vlachos blieb bei seiner Missbilligung, zog aber nicht aus.
»Jetzt haben wir drei Mieter und keiner zahlt Miete«, klagte Mando am Abend.
»Du hast ja noch ein Zimmer«, meinte Vassiliki, »dafür suchen wir uns einen richtigen Mieter!« Sie legte den Kopf zur Seite und lauschte. »Vielleicht ist das ja einer!«, rief sie und sah Mando an.
Das Klopfen an der Tür war jetzt deutlich zu hören. Vassiliki zögerte. Jeder Fremde könnte einer der Männer sein, die Mando entführt hatten. Obwohl sie nie darüber sprachen, hatte keine der beiden Frauen die Drohung vergessen, und auch darum war Vassiliki froh, dass zwei Männer im Haus wohnten.
Nach den ersten Tagen, die Mando unter Marmellakis' Schutz in Nauplia verbracht hatte, glaubte sie nicht mehr daran, dass ihr irgendjemand nach dem Leben trachtete. Wer war sie denn jetzt? Eine verlassene Verlobte, die auf ihr Recht pochte, weiter nichts mehr.
Selbst Kapodistrias hatte sie fallen gelassen und den Theaterbesuch wegen dringlicher Termine kurzfristig abgesagt. Danach hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Einer der Mavromichali-Brüder war auf der Straße grußlos an ihr vorbeigegangen und ihre Briefe an Kolokotronis blieben unbeantwortet. Wahrscheinlich wurden sie ihm nicht einmal ausgehändigt. An Mavrokordatos wandte sie sich erst gar nicht, da er seit Kapodistrias' Ernennung zum Ministerpräsidenten jeglichen Einfluss eingebüßt hatte. Wie er war auch sie zur Persona non grata geworden.
Aus ihrem Tod würde außer Dimitri niemand einen Vorteil ziehen. Ypsilanti hatte sie zwar schlecht behandelt, aber ein Mörder war er bestimmt nicht. Außerdem hatte er zurzeit anderes zu tun. Kapodistrias hatte ihn zum Feldmarschall von Ostgriechenland ernannt, wo Ibrahim Paschas Truppen immer weiter zurückgetrieben wurden. Der Ägypter musste große Teile des eroberten Gebiets preisgeben und sich nach Messenien zurückziehen. Frankreich hatte bereits angekündigt unter Leitung von General Maison ein Expeditionskorps von 14.000 Mann ins östliche Mittelmeer zu schicken. Damit sollte dem restlichen Europa gezeigt werden, wie wichtig den Franzosen die Befreiung Griechenlands war. Da die Engländer Angst vor Machtgewinn der Trikolore hatten, würden sie sicher bald nachziehen.
Mando hatte überlegt sich an Admiral Miaulis zu wenden, aber auch dieser hatte zurzeit schlechte Karten, da er zur proenglischen Fraktion gehörte und Kapodistrias nicht unterstützte.
Mando Mavrojenous war eine unbedeutende, uninteressante Frau geworden und darum fürchtete sie nicht um ihr Leben, als es an der Tür klopfte.
»Mach auf!«, befahl sie also und blickte schnell in ihren venezianischen Spiegel. Er zeigte ihr eine etwas müde aussehende Einunddreißigjährige. Rasch griff sie zu ihrem Rouge, ließ allerdings die Dose fallen, als sie sah, wer ins Zimmer trat.
»Stefano!«, rief sie erschüttert. Sie hatte ihren Bruder seit dem Tod des Vaters nicht mehr gesehen und erschrak über die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war. Sein Haar war grau und ungepflegt, das Gesicht von Falten durchfurcht und in seine Augen hatte sich ein irrer Blick eingeschlichen.
»Wo kommst du denn her?«, fragte sie.
»Von Paros«, erwiderte er tonlos.
Paros, dachte sie, da lebt jetzt Marcus. Sie legte eine Hand aufs Herz, als könne sie damit den Stich zum Verschwinden bringen.
»Was hast du dort getan?«
»Mich versteckt.«
»Dich versteckt? Warum? Vor wem?«
»Vor den Mördern unseres Vaters.«
Er ist verrückt geworden, erschrak sie.
»Stefano, unser Vater ist seinem Herzleiden
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