Die Rebellin
Fechtlehrer Türke war, erfreute den Popen aus einem ganz bestimmten Grund: Er würde Mando auch den Umgang mit dem Säbel beibringen können. Allerdings kostete ihn das einige Überredungskraft. Der schmale schwarze, sorgfältig gepflegte Schnurrbart des Türken zitterte, als Pappas Mavros ihm diesen Vorschlag machte.
»Welchen Sinn sollte es haben, einer Frau einen Säbel in die Hand zu drücken?«, fragte er leicht empört.
»Sie kennen doch die junge Dame, Monsieur Ali«, erwiderte Pappas Mavros leichthin. »Sie langweilt sich zu schnell mit einer Sache. Ich dachte, dass es den Unterricht auflockern könnte, wenn sie mal mit einer anderen Waffe übte. Meinetwegen könnten Sie ihr auch ein paar Kunststückchen mit dem Messer beibringen. Als Geschicklichkeitsübung.«
Vor seinem geistigen Auge sah er seine Nichte mitten im Schlachtengetümmel dem einen Türken ein Messer in den Bauch rammen und einem anderen mit dem Säbel den Kopf vom Rumpfe trennen. Vielleicht würde es ja gar nicht so weit kommen, aber es war seine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Mando auf alle Eventualitäten vorbereitet war.
Mando selber freute sich darauf, die Fechtstunden wieder aufzunehmen. Wenigstens in den Stunden mit Monsieur Ali würde sie die Gedanken an Marcus zur Seite schieben können.
Ihr Cousin war nicht zur Taufe der beiden Kinder gekommen, da er sich auf eine wichtige Reise ins Ausland begeben hatte.
»Er wird eine längere Zeit wegbleiben«, sagte Jakinthos, der im Namen von Marcus zwei kunstvoll geschmückte Wiegen aus Mykonos mitgebracht hatte. Mando war zugleich erleichtert und enttäuscht.
Immer wieder spielte sich in ihrem Kopf ab, was sich zwischen ihnen innerhalb von wenig mehr als einer Sekunde ereignet hatte, und jedes Mal durchströmte sie dabei ein peinigendes, wohliges Gefühl. Keine Nacht verging, in der sie nicht ihre Hand zwischen die Schenkel presste und sich dabei vorstellte, dass es ihr Cousin war, der sie dort berührte. Es gab Nächte, in denen sie versuchte sich zu bezwingen, der Versuchung nicht nachzugeben. Sie rief alle Heiligen an, da sie nicht wusste, welcher für ihre Sünde zuständig war, sie betete, weinte, lief im Zimmer auf und ab, bespritzte sich mit kaltem Waschwasser, aber nichts half. Auch der Versuch, ihre Arme wie bei einem Säugling fest an den Körper zu binden, schlug fehl, und als sie eines Nachts entdeckte, dass ihr ein kleines Spiel der Finger höchste Wonnen bereiten konnte, hielt sie sich für verloren.
Der Teufel war in sie gefahren, aber er machte sich auf eine Weise bemerkbar, die sie niemandem mitteilen konnte. Sie musste selber herausfinden, wie er zu exorzieren war, und sie hatte alle Hoffnung auf eine erneute Begegnung mit Marcus gesetzt. Wenn sie ihm noch einmal in die Augen sehen und ihn anspucken würde, könnte sie den Spuk vielleicht bannen.
»Und was wird dann aus Mandos Haus und unseren Grundstücken auf Mykonos?«, fragte Zakarati besorgt.
»Sein jüngerer Bruder kümmert sich um alles«, beruhigte sie Jakinthos und berichtete, dass die junge Witwe des deutschen Barons inzwischen tatsächlich Miete bezahlte.
»Hat sie denn immer noch keinen anständigen Ehemann gefunden?«, wunderte sich Irini.
Jakinthos zögerte. Es war wohl nicht schicklich, den Damen mitzuteilen, dass zwischenzeitlich ein englischer Lord eine Kurzehe mit der fraglichen Person eingegangen war.
»Wie lange wird Marcus wegbleiben?«, stellte Mando die einzige Frage, die sie selber interessierte.
»Ich hoffe, dass er zu meiner Hochzeit zurückkommt«, antwortete Jakinthos und sah Mando unverwandt in die Augen. Das Gespräch am Tisch verstummte. Mando wandte den Blick ab.
»Ist das ein Antrag?«, fragte Zakarati erfreut. Jakinthos war zwar nicht von feinstem Adel, stammte aber aus einer guten und wohlhabenden Familie. Eine bessere Partie würde Mando in dieser Umgebung kaum machen können. Welch eine Erleichterung, wenn dieser junge Mann künftig die Verantwortung für ihre querköpfige Tochter übernehmen würde.
»Der Vormund bin immer noch ich«, meldete sich Pappas Mavros streng zu Wort. Überrascht blickte Jakinthos zu ihm hin. Von dieser Seite hatte er keinen Widerstand erwartet.
»Würdest du ihn denn heiraten wollen?«, fragte Irini flüsternd ihre Schwester. Mando warf ihr einen dankbaren Blick zu.
»Ich weiß nicht«, flüsterte sie zurück. Inzwischen war Jakinthos aufgestanden und hatte sich mit dem Priester in einen Nebenraum zurückgezogen. Zakarati überlegte laut, wie,
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