Die Rebellin
den Popen, ob sie dem Grafen selber schreiben dürfe und war begeistert, als er zustimmte. Das war der Anfang eines langjährigen Briefwechsels.
Am erfreulichsten war, dass ihr Pappas Mavros eine Reise nach Paris in Aussicht gestellt hatte. Es war Januar 1821, die Stunde der Erhebung stand bevor und Mando sollte bei wohlhabenden französischen Sympathisanten Geld für Waffen, Soldaten und Schiffe sammeln. Es war allerdings ausgeschlossen, dass sie allein fuhr.
»Nicht mit meiner Mutter!«, rief sie, als der Pope auf das Thema Reisebegleitung kam.
»An die habe ich nicht gedacht«, erwiderte er. »Du brauchst unterwegs männlichen Schutz.«
Er öffnete die Tür seines Studierzimmers und ließ einen jungen Mann eintreten.
Mando glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Zweieinhalb Jahre lang hatte sich Marcus von Tinos fern gehalten und jetzt stand er plötzlich vor ihr.
A PHRODITE
Pappas Mavros entging nichts. Er sah die erschrockenen Augen Mandos, das leichte Zittern ihrer Unterlippe, die feine Röte, die Marcus ins Gesicht stieg. Anstatt auf ihren Cousin zuzugehen und ihn freudig zu begrüßen, trat Mando einen winzigen Schritt zurück und senkte den Blick. Marcus machte keine Anstalten ihr die Hand zu küssen.
Ich muss mich irren, dachte der Pope, sie haben sich doch seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen. Wann soll da etwas passiert sein? Er erinnerte sich, dass ihn Marcus in jener Nacht geweckt hatte, als Irinis Zwillinge geboren wurden. Er hatte sich damals zwar darüber gewundert, dass Marcus es offensichtlich sehr eilig zu haben schien, Tinos zu verlassen, dies aber dem Unbehagen des jungen Mannes zugeschrieben, bei etwas so weiblich Intimem wie einer Geburt anwesend zu sein. Jetzt sah er diese Flucht in einem anderen Licht. Cousin und Cousine mussten entdeckt haben, dass ihr Verwandtschaftsgrad sie nicht daran hinderte, unkeusche Gefühle füreinander zu hegen.
Pappas Mavros war keineswegs erschüttert. In einer Gesellschaft, wo unverheiratete Frauen nur mit Männern umgehen durften, die zur Familie gehörten, waren Liebesbeziehungen zwischen Cousins und Cousinen fast alltäglich. Das Tabu wirkte allerdings so stark, dass darüber nicht einmal getuschelt wurde. Dem Popen fiel wieder ein, wie wenig verstört Mando über die missglückte Entführung gewesen zu sein schien und dass sie in den darauffolgenden Jahren Jakinthos' Werbung selber zurückgewiesen hatte.
Ihr Herz gehörte einem anderen, und das war gut so. Es würde keine Ehe geben, durch die sie an den ihr zugedachten Aufgaben gehindert werden könnte. Alexander der Große hatte die Erfahrung gemacht, dass männliche Liebespaare, die Seite an Seite kämpften, im Krieg viel größeren Einsatz erbrachten. Persönlich lag Pappas Mavros fleischliche Lust fern. Er betrachtete sie als einen Faktor, der den Menschen daran hinderte, eine höhere Entwicklungsstufe zu erklimmen. All die Energie und Zeit, die für ein flüchtiges Gefühl aufgewendet wurden! All das überflüssige Leid im Namen der Liebe! Kopulieren war für den Weiterbestand der Art zwar ein notwendiges Übel, aber Pappas Mavros fand es höchst verwunderlich, dass ein Gott, der den Menschen nach seinem Bild geschaffen haben sollte, den schlichten Umstand der Fortpflanzung mit so barocken Schnörkeln versehen hatte.
Was nicht zu verhindern ist, muss man sich zunutze machen, dachte er. Mando würde also in aller Heimlichkeit die unvermeidliche Liebe mit der ebenso unvermeidlichen Enttäuschung erleben und danach vernünftig genug sein einen Mann zu heiraten, mit dem sie die Geschicke des Landes lenken könnte.
Er tat, als spüre er die Spannung im Raum nicht, und forderte beide auf sich zu setzen.
»Marcus hat im Auftrag der Hetärie einige interessante Begegnungen auf dem Festland gehabt«, sagte er zu Mando. »Am aufschlussreichsten war wohl sein Treffen mit Ali Pascha.«
Der Name verfehlte seine Wirkung nicht. »Der Löwe von Jannina!«, rief Mando aufgeregt.
»Ein skrupelloser und verschlagener Bandit«, warf der Pope ein, »all die Geschenke, die er nach Konstantinopel schickte, nützen ihm aber nichts mehr, es scheint, Sultan Mahmud will ihn aus dem Weg räumen. Nun, das war zu erwarten, schließlich hat er nicht gerade damit hinter dem Berg gehalten, dass er sich von Konstantinopel abnabeln will.«
Mando war fasziniert. Schon als Kind hatte sie sich von ihrem Vater immer wieder die Geschichte von Ali Pascha Tepenlenli erzählen lassen. Sie wusste, dass der Vater des Pascha, ein
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