Die Rebellin
wollen.
Eine Woche lang hatte sie im Kloster verbracht und in jenen Tagen hatte ihr der Pope erstmals enthüllt, welche Aufgaben er ihr in der Zukunft zugedacht hatte. Er versuchte ihr sein Eingreifen zu erklären. »Du denkst, dass ich dich um dein Glück gebracht habe, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich bin für dein Glück verantwortlich und mir ist nicht entgangen, dass du Jakinthos nicht wirklich liebst.«
Als sie ihn unterbrechen wollte, hob er die Hand. »Eine Ehe einzugehen, um aus dem Elternhaus zu fliehen, ist dumm. Du magst dich jetzt zwar für eine Gefangene halten, aber als Ehefrau mit hundert Verpflichtungen wärst du eine Sklavin. Du musst frei sein, um an der Freiheit unseres Landes mitzuarbeiten. Das ist deine Verpflichtung. Du bist adlig, intelligent, gebildet, gewitzt, du hast viele Begabungen, und außerdem bist du schön.« Er machte eine Pause, um zu beobachten, wie seine Worte auf sie wirkten und fügte dann hinzu: »Es gibt überhaupt keinen Grund, weshalb du nicht eines Tages als Königin unser freies Land regieren solltest.«
Mando lachte.
»Und wer ist der König?«, fragte sie spöttisch.
»Bestimmt nicht der junge Jakinthos«, erwiderte Pappas Mavros. »Große Dinge werden in den nächsten Jahren mit dir geschehen und du wirst große Männer kennen lernen. Einer von ihnen wird dir seine Hand reichen und an seiner Seite wirst du Hellas zu neuer Blüte bringen.«
»Und woher wissen Sie das?«, fragte Mando.
»Das hat mir die Nonne Pelagia gesagt, die Mutter Gottes hat es ihr prophezeit«, log der Pope.
»Und ihre Visionen treffen immer ein«, fügte Mando mit leicht ironischem Unterton hinzu.
»Warte es ab«, meinte Pappas Mavros nur.
»Hat sie auch gesagt, welchen Namen ich mir merken muss? Nur für den Fall, dass ich meinem Glück gegenüberstehen und es nicht merken sollte!«
»Nein, aber ich nenne dir jetzt ein paar Namen, die du dir merken sollst.«
Mando zückte ihren Bleistift.
»Nicht aufschreiben«, sagte der Pope ernst. »Merken. Odysseus von Ithaka, Georgios Karaiskakis, Joannis Kolettis, Giovanni Kapodistrias, Alexander Mavrokordatos, Admiral Miaulis, die Brüder Mavromichalis und Alexander und Dimitri Ypsilanti, Theodoros Kolokotronis …«
»Ich kenne einige Namen«, unterbrach ihn Mando, »was eint all diese Männer?«
»Gute Frage, Mando, sie sind alle in der Hetärie der Freunde. Und der wirst auch du dienen, obwohl du ihr als Frau nicht offiziell beitreten kannst.«
Mando dachte einen Moment nach.
»Pappas Mavros«, fragte sie dann, »hat auch der Name Nikolaos Mavrojenous auf dieser Liste gestanden?«
»Ja«, sagte der Pope, ohne zu zögern. »Dein Vater war ebenfalls ein wichtiges Mitglied unserer Geheimgesellschaft. Er war es, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass du nützliche Fähigkeiten besitzt.«
»Sie haben ihn vergiftet«, murmelte Mando.
»Was sagst du da?«
»Das hat Mutter gesagt«, erwiderte sie nachdenklich. »Hat sie mit ›sie‹ vielleicht Mitglieder der Hetärie gemeint?«
Der Pope wandte sich um und blickte aus dem kleinen Zellenfenster auf die sonnenverbrannte Landschaft.
»Ausgeschlossen«, sagte er. »So unterschiedlich die Mitglieder unseres Bundes auch sind, sie würden keinen der ihren töten. Jeder wird gebraucht.«
Mando wagte es kaum, die nächste Frage zu stellen.
»Aber einen Verräter, den würde man zur Verantwortung ziehen?«
»Beruhige dich, mein Kind, dein Vater war kein Verräter. Er ist an Herzversagen gestorben.«
Dieses Gespräch hatte vor zweieinhalb Jahren stattgefunden, aber persönlich kennen gelernt hatte Mando noch keinen der Männer, die ihr Pappas Mavros genannt hatte. Auch keinen anderen, der als künftiger König von Griechenland infrage gekommen wäre. Die angebliche Vision der Nonne Pelagia hatte sie sowieso nicht ernst genommen, sie fand es viel interessanter, Teil einer Verschwörung zu sein. Ihre Aufgaben für die Hetärie beschränkten sich im Wesentlichen aufs Briefeschreiben. Sie lernte verschlüsselte Texte aufzusetzen und zu entziffern und war mit der Landkarte Griechenlands in den Grenzen von Byzanz bald so vertraut, dass sie fast jedes Dorf dem richtigen Landstrich zuordnen konnte. Sie war hoch geehrt, als bei Pappas Mavros eines Tages ein Brief von Kapodistrias eintraf, in dem er bat die Tochter von Nikolaos Mavrojenous auf das Herzlichste zu grüßen. Er teile nicht die Ansicht mancher Mitglieder der Hetärie, dass Frauen nur im Hintergrund zu wirken hätten. Mando fragte
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