Die Rebellin
beschäftigte es ihn, dass er die Szene in Gedanken immer wieder erlebte und wusste, dass er sie nicht bereute, sondern eine Wiederholung – und mehr wünschte. Immer wieder fragte er sich, warum sie ihn nicht zurückgestoßen hatte, dann keimte eine Hoffnung auf, die er augenblicklich wieder zu begraben trachtete. Eine Hoffnung, die sich Unmögliches zum Ziel setzte, war töricht. Aus Angst vor sich selber hatte er sich gewissermaßen ins Exil aufgemacht, Hände und Geist beschäftigt, sich ganz den Zielen der Hetärie hingegeben und zwischendurch Vergessen in den Armen anderer Frauen gesucht.
Als er Ende des vergangenen Jahres in Konstantinopel weilte, glaubte er, die Rückkehr auf die Kykladen wagen zu können. Er hatte seine Reise bereits vorbereitet, als etwas geschah, das ihm deutlich machte, dass die Jahre in der Fremde seine Gefühle für Mando nicht hatten auslöschen können.
Er hatte sich mit dem französischen Attaché Comte de Marcellus verabredet, um auszuloten, inwieweit die französische Botschaft über die bevorstehende Erhebung informiert war. Es war ein aufschlussreiches Gespräch gewesen, bei dem ihm der Attaché immer wieder versicherte, wie ihn das antike Hellas beeinflusst hätte. Kurz bevor sich Marcus verabschiedete, beugte sich der Comte verschwörerisch zu ihm hin.
»Ich muss Ihnen etwas zeigen«, flüsterte er, bedeutete Marcus ihm zu folgen, ging in ein Nebenzimmer und wies auf einen übergroßen Paravent.
Neugierig blickte Marcus dahinter und hielt die Luft an.
Noch nie hatte er so etwas Schönes, Atemberaubendes gesehen! Eine etwa zwei Meter hohe Göttin aus Stein, ohne Arme zwar, aber von so hinreißender Sinnlichkeit, dass man über den etwas zu kräftigen Körperbau hinwegsehen konnte. Der nachlässig um die Lenden geschlungene Stoff ließ den Betrachter bedauern, dass er nicht herunterrutschen konnte, weil er zusammen mit dem Unterkörper in Marmor gemeißelt war.
»Parischer Marmor in Vollendung, finden Sie nicht?«, fragte der Attaché, immer noch flüsternd.
Marcus antwortete nicht. Sein Blick, der zunächst nur den Körper wahrgenommen hatte, wanderte zu einem unendlich vertrauten Gesicht.
»Wo ist das her?«, fragte er heiser und fuhr mit einer Hand über die kleinen kalten Brüste.
»Aus Milos. Wahrscheinlich um 100 vor Christus«, erwiderte der Attaché. »Eine wirkliche Aphrodite, nicht wahr?«
»Sie gleicht einer Cousine von mir«, sagte Marcus und spürte, wie sein Herz heftiger klopfte. »Ich will sie kaufen, egal, was es kostet.«
»Mich freut Ihre Begeisterung, junger Freund«, erklärte der Comte, »aber ich habe eine bessere Verwendung für diese Figur.«
Ein Franzose hat eine bessere Verwendung für eine griechische Statue als ein Grieche? Es kostete Marcus große Mühe die Wut, die plötzlich in ihm aufstieg, zu zügeln. Hatte er vergessen, dass Griechen keine Rechte haben, fragte er sich verbittert. Wer hatte denn Lord Elgin vor ein paar Jahren davon abgehalten, den Schmuck des Pantheon zu rauben? Marcus starrte auf die Statue, nichts erschien ihm wichtiger, als dieses kalte steinerne Ebenbild der Geliebten zu erwerben, das ihn immer an ihre Unerreichbarkeit erinnern würde.
»Ein Bauer von der Insel Milos hat sie gefunden und an unseren Oberst Voutier verkauft. Sie können mir glauben, dass ich ihm sicher ein Tausendfaches für den Einkaufspreis geben musste!«
»Bitte, nennen Sie mir Ihren Preis«, bat Marcus.
»Ich sagte schon, dass ich eine andere Verwendung habe«, die Stimme des Attachés klang etwas ungeduldig, »und diese Verwendung wird ganz in Ihrem Sinne sein. Ich werde sie unserem König Ludwig XVIII. schenken und er wird bei ihrem Anblick immer daran denken, dass die Nachkommen solcher Künstler«, jetzt senkte er seine Stimme, »unsere Hilfe benötigen, um sich vom barbarischen Joch zu befreien.«
Marcus biss sich auf die Zunge. Und dann wird uns Ihr König als Zeichen seiner Wertschätzung für unsere Kultur diese Aphrodite zurückgeben, hätte er beinahe gesagt.
Und jetzt saß er auf Tinos dem Mädchen gegenüber, dessen Gesicht er in Stein gemeißelt gesehen hatte und sprach mit ihr über Österreichs Einstellung zur Türkei!
Mando erwiderte Marcus' Blick und ein kleines spöttisches Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel.
»Ja«, sagte sie, »Metternich verstehe ich. Ich weiß, was er meint. Dass man gleichzeitig groß und schwach sein kann und dass dies andere ausnutzen.«
Ihre Augen sprühten Funken und ihre Nasenflügel
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