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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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albanischer Bey, verarmt gestorben war. Seine Mutter Khamco hatte daraufhin eine Bande von Straßenräubern gegründet, um wieder zu Reichtum zu gelangen. So begann ihr 14-jähriger Sohn seine Banditenlaufbahn, in der er es zum gefürchtetsten Räuberhauptmann des Landes bringen sollte. Später bot er seine Dienste dem reichen Pascha von Euböa an, heiratete dessen Tochter, wurde selber zum stellvertretenden Pascha von Rumelia und kümmerte sich um die Sicherheit der Straßen, wie es hieß. Dabei wurde er so reich, dass er die kostbarsten Geschenke nach Konstantinopel schicken konnte und sich das Wohlwollen des Sultans sicherte, der ihn zum Pascha von Trikkala ernannte. Mit Morden und Intrigen schaffte es der habgierige und grausame ehemalige Räuberhauptmann nicht nur Pascha über Jannina zu werden, sondern sich ein kleines Reich zu unterwerfen. Er war jetzt Herr über den ganzen Epirus, über Südalbanien, Westmakedonien, Thessalien und die westliche Hälfte des griechischen Festlandes. Immer wieder unternahm er Raubzüge auf dem Peloponnes. Obwohl er inzwischen zum Vizekönig von Rumelia ernannt worden war, weigerte er sich Befehle des Sultans zu befolgen, denn es gefiel ihm nicht, dass Mahmud II. seit zwei Jahren damit beschäftigt war, die Regierung des osmanischen Reiches zu zentralisieren. Ali wollte selbstständig regieren, einen von Konstantinopel unabhängigen griechisch-albanischen Staat errichten. Um dieses Ziel zu erreichen, bandelte er nicht nur mit den Franzosen und den Briten an und spielte sie während der napoleonischen Kriege gegeneinander aus, sondern, wie Mando jetzt erfuhr, suchte er auch Mitglieder der Hetärie für seine Sache einzuspannen.
    »Woher weiß er überhaupt etwas von unserer Organisation?«, fragte Mando betroffen. »Ich dachte, dass es in der Natur eines Geheimbundes liegt, ihn geheim zu halten!«
    »Ali Pascha ist wie Pappas Mavros«, bemerkte Marcus schalkhaft.
    »Ich muss doch sehr bitten!«, empörte sich der Pope.
    »Vor ihm kann man nichts geheim halten.«
    Der Pope hob eine Augenbraue.
    »Er hat drei bedeutende Mitglieder der Hetärie in wichtige politische Ämter berufen«, fuhr Marcus fort, »darunter auch Dr. Jannis Kolettis, mit dem ich mich länger unterhalten habe.«
    »Was war dein Eindruck von ihm?«, wollte der Pope wissen und Mando erinnerte sich, dass der Name Kolettis auf der Liste der merkenswerten Personen gestanden hatte.
    Marcus zögerte. »Er ist sehr gebildet, frankophil, ehrgeizig, intelligent und … und …«
    »… skrupellos?«, schlug Pappas Mavros vor.
    Marcus nickte. »Das könnte sein. Mir war nicht wohl in seiner Gegenwart, aber ich war froh, dass er auf unserer Seite steht. Er war es, der mir erzählt hat, dass der Sultan Ali Pascha umbringen lassen will, und es würde mich nicht wundern, wenn Kolettis dabei selber seine Hand im Spiel hätte.«
    »Mit dem Sultan an einem Strang ziehen! Dann wäre Kolettis ja ein Verräter!«, rief Mando.
    »Wenn sich die Hohe Pforte um Ali Pascha kümmert, hat sie alle Hände voll zu tun, und die Hetärie kann ungestört ihre Pläne verfolgen«, meinte der Pope pragmatisch und setzte hinzu: »In der Stunde der Erhebung wird Jannis Kolettis von unschätzbarem Wert sein. Ich hoffe, dass man ihm danach ein Denkmal setzen wird.«
    »Was Lebenden allerdings nur selten widerfährt«, meinte Marcus nachdenklich.
    Der Pope nickte.
    »Von Kolettis habe ich übrigens auch erfahren, dass wir von Österreich keine Hilfe erwarten können«, fuhr Marcus fort. »Metternich hält unser Schicksal für selbst verschuldet und uns für Barbaren. Er erklärt, die Zivilisation höre an der Südgrenze Österreichs auf.«
    »Aber die Österreicher sind doch Erzfeinde der Türken«, meinte Mando verwundert. »Die Habsburger müssten doch jede Schwächung der Osmanen begrüßen!«
    »Metternich hält eine schwache große Türkei für wünschenswerter als ein Russland, das ans Mittelmeer drängt und ihm damit möglicherweise ins Gehege kommt.«
    Zum ersten Mal sah Marcus Mando voll ins Gesicht. Er war froh gewesen, dass der Pope das Gespräch sofort in Gang gebracht und nicht auf eine Begrüßung Wert gelegt hatte. Immer wieder hatte er sich in den beiden vergangenen Jahren vorgestellt, wie ihm Mando gegenüberstehen und er in ihren Augen lesen würde, dass sie ihm verziehen hatte. Er selber konnte sich nicht verzeihen, fand es unbegreiflich, dass er in jener Nacht so sehr die Kontrolle über sich verloren hatte. Am meisten aber

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