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Die Rebellion

Die Rebellion

Titel: Die Rebellion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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rechtes Auge war
verloren und die gesamte rechte Gesichtshälfte bis auf die
Knochen verätzt. Die farblosen Knochen zeigten sich noch
immer durch das Narbengewebe. Die Zähne schimmerten
durch die Überreste seines Kiefers hindurch und verliehen Kassars Gesicht ein konstantes häßliches Grinsen, in dem keine
Spur von Humor zu erkennen war. Das Gesicht war ein entsetzlicher Anblick, der selbst den stärksten Magen umdrehte,
und Kassar wußte es. Genau aus diesem Grund hatte der Kardinal sich nie operieren lassen. Eine Regenerationsmaschine
hätte keine Spur von den entsetzlichen Wunden zurückgelassen, doch er verzichtete darauf. Vielleicht als Zeichen oder
Warnung, daß nichts und niemand ihn aufhalten konnte, oder
vielleicht aus irgendeiner pervertierten Art von Eitelkeit. Nicht
wenige Leute waren überzeugt, daß Kassar es genoß, wenn
sein Anblick andere entsetzte.
Man erzählte sich auch, Kassar hätte die Wachen, die die
Frau hatten durchschlüpfen lassen, in einen Behälter mit Säure
senken lassen. Ganz langsam, mit den Füßen voran. Niemand
hatte Schwierigkeiten, sich diese Geschichte als wahr vorzustellen. Kardinal Kassar war bekannt für seine kalte Wut und
seine als Gerechtigkeitssinn maskierte Rachsucht. Er war durch
die Ränge der Kirche aufgestiegen, indem er fanatisch gegen
jeden Häretiker vorgegangen war, der seine oder die Autorität
der Kirche in Frage gestellt hatte. Er zögerte nicht, jeden anzuklagen, der sich gegen den wachsenden Einfluß der Kirche zur
Wehr setzte – oder seiner persönlichen Karriere im Weg stand
–, selbst wenn es Freunde, Verwandte oder sogar Verbündete
waren. Und während Kassar mit beispielloser Geschwindigkeit
innerhalb der Kirche aufstieg, beeilten sich die Leute, seinem
Eifer zu folgen – jedenfalls wenn sie wußten, was für sie gut
war.
So war die Anklage wegen Häresie zu einer beliebten Methode geworden, um seine Feinde aus dem Weg zu räumen. Ein
Beweis wurde nicht benötigt. Meist reichte allein die Anschuldigung aus. Es gab Tribunale, wo die Beschuldigten sich verteidigen konnten, doch das kostete Geld. Gerechtigkeit war
noch nie billig gewesen. Die Zustände nahmen bald katastrophale Formen an, und manch einer versuchte, eine Versicherung gegen derartige Zwischenfälle abzuschließen – nur um
feststellen zu müssen, daß die Prämien noch höher waren als
die versicherten Kosten. Damals hatten die Familien zum ersten Mal erkannt, daß niemand mehr vor der Kirche sicher war.
Auch die Eiserne Hexe benutzte diese bequeme Methode und
fand sie bald ganz besonders nützlich, um ihre Höflinge zu
disziplinieren. Sobald jemand Schwierigkeiten machte oder
den Mund zu weit aufriß, wurde eine Anschuldigung ausgesprochen, und das unglückliche Opfer wurde eines frühen
Morgens vom Geräusch heiliger Stiefel geweckt, die seine Tür
eintraten. Bald schon konnte sich niemand mehr leisten, die
Imperatorin zu verärgern, der nicht hervorragende Beziehungen zur Kirche öder viel Geld für Anwälte besaß. Wenn man in
diesen Tagen überhaupt einen Anwalt finden konnte, der tapfer
genug war, um es mit der Kirche aufzunehmen.
Die Höflinge spielten untereinander das gleiche gefährliche
Spiel und denunzierten sich gegenseitig aus familiären, politischen oder persönlichen Gründen, doch die Folgen waren weniger ernst. Die Wahrheit verschwand nur allzu rasch unter
einem Morast aus Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen, bis selbst die Kirche es leid war. Also beschränkte sie sich
meist darauf, einfach alles aufzuzeichnen, um für die passenden Gelegenheiten Belastungsmaterial und Munition zu besitzen.
Valentin Wolf zum Beispiel war schon so häufig wegen aller
möglicher Arten von Häresie denunziert worden – einschließlich einiger, die man zuvor für theoretisch unmöglich gehalten
hatte –, daß die Kirche aufgehört hatte zu zählen. Die Anklagen
wurden niemals weiterverfolgt. Niemand zweifelte daran, daß
Valentin vollkommen dekadent war und genügend Drogen
konsumierte, um ein halbes Dutzend gewöhnlicher Männer auf
einen Schlag umzubringen, doch er war der Kopf der Ersten
Familie des Imperiums, unglaublich reich und mächtig, und er
besaß das Ohr und die Unterstützung der Eisernen Hexe. Valentin Wolf war mit anderen Worten unantastbar. Kassar hatte
seinen Groll gegen Valentin nicht aufgegeben, doch im Augenblick gab er sich damit zufrieden, daß er und der Wolf sich
unübersehbar gegenseitig ignorierten. Die

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