Die Rebellion
entdeckte. Ein
vollkommener, niemals endender Rauschzustand, frei wie ein
Vogel und ohne jede Grenze. Doch bis es soweit war, stiegen
die erforderlichen Dosen immer weiter an, um den gleichen
Effekt zu erzielen, und Valentin Wolf mußte mehr und mehr
neue Drogen zu sich nehmen, um den bösartigen Nebenwirkungen älterer Drogen zu entgehen, deren Überreste noch immer in seinem Kreislauf zirkulierten. Als Resultat war er dünner als je zuvor, und schlimmer noch: Valentin konnte sich ein
Leben ohne all die zahlreichen Helfer genausowenig vorstellen
wie ein Leben ohne Sauerstoff. Bestimmte Drogen, deren Wirkung nur kurzlebig war, halfen ihm, sich auf bestimmte Situationen einzustellen, und dies schien eine solche Situation zu
sein. Valentin überlegte, daß er einen möglichst klaren, raschen
Verstand benötigte. An diesem Hof besaß er keinerlei Freunde,
sondern nur Feinde. Es war lebensnotwendig, daß er ihren Gedanken bei jedem Zug mindestens einen Schritt voraus war.
Also zog er seine silberne Pillendose hervor, wischte den
Rauhreif vom Deckel, öffnete sie und entnahm ihr ein einzelnes Pflaster, das er mit geübter Treffsicherheit gegen seine
Halsschlagader preßte. Sein purpurnes Grinsen wurde breiter,
als die Wirkung einsetzte und die neue Droge sich wie ein
dampfender Zug einen Weg durch seinen Kreislauf bahnte.
Valentins Gedanken arbeiteten schlagartig um ein Vielfaches
schneller, und jeder ringsum schien sich mit einemmal wie in
Zeitlupe zu bewegen. Ihm wurde angenehm warm, als würde er
in einem gemütlichen Sessel vor einem großen knisternden
Kaminfeuer sitzen. Ungeachtet der beißenden Kälte rannen
kleine Schweißbäche an seinen Schläfen herab. Valentins Atem
ging rascher, und sein Herz schlug spürbar in seiner Brust. Er
beobachtete die Bewegungsmuster der Menschen ringsum, jede
Geste eine einzige Enthüllung. Er riß sich zusammen und konzentrierte die Gedanken auf das, was er wissen mußte. Der
Nachteil dieser speziellen Droge war, daß sie Valentin allzuleicht in einen paranoiden Zustand versetzte, doch das war eine
akzeptable Nebenwirkung, wenn man die Umstände bedachte.
Am Hof der Löwenstein war Verfolgungswahn nie ganz fehl
am Platz.
Eine gedrungene, fette Gestalt näherte sich ihm mit entschlossenem Gesicht, und Valentin warf sich in eine elegante
Pose. Seinem Verhalten nach zu urteilen, hatte Lord Gregor
Shreck etwas Geschäftliches mit Valentin zu besprechen. Valentin war es egal. Auch dieses Spiel beherrschte er. Der Wolf
lächelte den Shreck freundlich an, ohne sich indes zu verbeugen. Er wollte den Mann auf keinen Fall ermutigen. Der Shreck
blieb vor Valentin stehen, schnaufte kurz und verbeugte sich
dann steif.
»Einen Augenblick Eurer Zeit, Wolf; ich denke, es ist zu unser beiderseitigem Vorteil.«
»Nun«, erwiderte Valentin freundlich, »niemand soll mir
nachsagen, daß ich einen Vorteil nicht zu nutzen verstehe. Nett,
Euch wiederzusehen, mein lieber Shreck. Ihr seht gut aus.
Kann es sein, daß Ihr ein wenig abgenommen habt?«
»Jedenfalls nicht lebensgefährlich«, sagte der Shreck und
versuchte sich an einem höflichen Lächeln, doch ohne besonderen Erfolg. Ihm fehlte einfach die Übung. »Wir haben gemeinsame Interessen, Wolf, ganz zu schweigen von gemeinsamen Feinden. Der Chojiro-Clan gewinnt in letzter Zeit gefährlich viel Einfluß bei Hofe. Er ist mächtig geworden, seit die
Feldglöcks vernichtet wurden. Und nicht genug, daß die Chojiros unsere geschäftlichen Interessen bedrohen, jetzt versuchen
sie auch noch, unsere Stellung am Hof zu unterminieren. Ich
würde sogar wagen zu behaupten, daß die Chojiros inzwischen
so viel Einfluß gewonnen haben, daß weder Ihr noch ich ihnen
irgend etwas verweigern könnten, das sie haben wollen. Jedenfalls nicht einer von uns allein. Doch …«
»… doch gemeinsam und vereint könnten wir sie dorthin zurückschicken, wo sie hingehören«, vollendete Valentin den
Satz, den er beinahe schon gehört hatte, bevor der Shreck zu
sprechen begonnen hatte. Seine Gedanken rasten, und er war
dem Shreck weit voraus. Valentin wog sorgfältig ab, welcher
der Clans in Zukunft den größten potentiellen Nutzen bieten
und welcher ihm am gefährlichsten werden konnte. Die Chojiros waren eindeutig auf dem Weg nach oben, während der
Stern der Shrecks sank. Und die Chojiros besaßen wenigstens
einen Funken von Anstand und Ehre, etwas, das der feiste
Shreck nie gekannt hatte. Valentin schätzte Anstand und
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