Die Rebellion
Abgeordnete. »Und ich denke, ich
besitze den Zuspruch und die Unterstützung jedes loyalen
Mannes und jeder Frau, die sich hier versammelt haben. Wir
haben ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.«
Löwenstein beugte sich auf ihrem Thron vor. Ihr Gesicht
wirkte ruhig und gelassen. »Sein Gesicht ist Uns nicht vertraut«, sagte sie. »Wie lautet doch gleich Sein Name …?«
Der Abgeordnete richtete sich noch höher auf, wenn das
überhaupt möglich war. Seine Stimme klang stolz und selbstbewußt, als er verkündete: »Ich bin der Abgeordnete Richard
Schott, neu gewählt und Vertreter von Grausee Ost. Ich gewann meine Wahl mit einem Reformprogramm für Wahrheit
und gegen Korruption und Willkür in der Regierung. Es erscheint mir nur angemessen, daß mein Einsatz zur Verwirklichung dieser Ziele hier bei Hofe beginnt.«
Löwenstein nickte und lehnte sich zurück. »Das hätten Wir
Uns denken können«, sagte sie. »Nichts auf der Welt ist großspuriger und aufgeblasener als ein neu gewählter Abgeordneter. Dram, kümmere Er sich darum.«
Dram nickte, und seine kalten dunklen Augen richteten sich
auf Schott, der mit einemmal ein wenig verunsichert wirkte.
Welche Antwort er auch immer auf seine Herausforderung
erwartet hatte, diese hier ganz bestimmt nicht. Kein Ärger, keine Wut, kein Dementi – nichts. Nur gelassene Gleichgültigkeit
seitens der Eisernen Hexe und ein kalter abschätziger Blick
von Dram. Schott begann sich zu fragen, ob er einen Fehler
begangen hatte. Seine Kollegen hatten ihn laut unterstützt, aber
inzwischen standen sie schweigend wie begossene Pudel in der
Menge, und Schott war allein vor dem Thron. Dram trat vor,
und Schott mußte gegen den Impuls ankämpfen zurückzuweichen. Er wollte einen starken, resoluten Eindruck hinterlassen.
Dram blieb zwischen Schott und dem Thron stehen. Sein plötzliches Grinsen war kalt wie der Tod.
»Die Imperatorin hat bereits vor dem versammelten Hof bekanntgegeben, daß ich der echte Dram bin. Indem Ihr dies bezweifelt, bezweifelt Ihr das Wort Ihrer Majestät. Genaugenommen habt Ihr sie sogar eine Lügnerin genannt. Und das ist
eine Beleidigung, die nach Satisfaktion schreit. Eine Frage der
Ehre. Ich vertrete Löwenstein in dieser Angelegenheit. Findet
jemanden, der für Euch einsteht, oder verteidigt Euch selbst.
Hier und jetzt.«
Schott wurde leichenblaß, als er erkannte, in welche Falle er
gegangen war. Niemand würde ihm jetzt noch helfen. Das Feld
der Ehre war sakrosankt. Er schluckte mühsam. »Euer Majestät, ich muß protestieren. Abgeordnete sind von der Tradition
des Duellierens ausgenommen!«
»Normalerweise habt Ihr damit recht«, sagte Dram ungerührt. »Aber Ihr habt die Herrscherin beleidigt, und das vor
ihrem versammelten Hof. Eine derartige Beleidigung wiegt
schwerer als jede Tradition.«
Schott wandte sich nicht um. Er wußte, daß er nur in verschlossene Gesichter blicken würde. Der Abgeordnete hob
langsam die Hände, um zu zeigen, daß sie leer waren. »Ich
besitze kein Schwert.«
Einer der Wachsoldaten, der den verstorbenen Leiter der
Raumhafensicherheit hereingeschleppt hatte, trat auf Drams
Wink hin vor und bot Schott sein Schwert. Der Abgeordnete
nahm es entgegen, obwohl er damit sein eigenes Todesurteil
unterschrieb. Er besaß keine Erfahrung im Duellieren. Schott
hatte seit seinen Studententagen kein Schwert mehr im Zorn in
der Hand gehalten. Und Dram war der Oberste Krieger. Immer
vorausgesetzt, daß es wirklich Dram war.
Schott hob das Schwert, um ein Gefühl für die Waffe zu bekommen. Es war eine gute Klinge, hervorragend ausbalanciert.
Er begann zu weinen. Es war kein richtiger Zusammenbruch
oder sonst etwas Dramatisches; er wollte verdammt sein, wenn
er ihnen diese Genugtuung gönnen würde. Es waren nur ein
paar Tränen, mehr nicht, die über seine Wangen rannen. Schott
wußte, daß er sterben würde. Das hier war eine Exekution, kein
Duell. Er konnte sich nicht daran erinnern, ob er seiner Frau
noch gesagt hatte, daß er sie liebte, als er an diesem Morgen
aus dem Haus gegangen war. Er hoffte, daß er es nicht vergessen hatte. Und er hatte diesen besonderen Marmor für den
Vorhof bestellt. Seine geliebte Ehefrau würde nicht die leiseste
Ahnung haben, was sie damit anfangen sollte. So viele Dinge
würden unerledigt bleiben. Er schüttelte den Kopf. Nichts, das
jetzt noch eine Rolle spielte. Es war zu spät für etwas anderes
als Dram und ihre beiden Schwerter. Der Abgeordnete
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