Die Rebellion
Schiff noch übrig war,
seinem Stellvertreter und saß allein in seiner Kabine, um zu
trinken. Um die Zeit totzuschlagen, wenn schon nichts anderes.
Ein Klopfen an der Tür ließ Schwejksam mit verschleierten
Augen aufblicken. Er wußte, wer da geklopft hatte. Es gab nur
eine einzige Person, die ihn in diesen Tagen besuchte.
Schwejksam überlegte kurz, ob er aufstehen und die Tür selbst
öffnen sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Er vertraute
seinen Beinen nicht mehr. Also bewegte er mühsam die taube
Zunge in seinem erschlafften Mund und befahl der Tür mit so
viel Autorität und Klarheit, wie er nur zustande brachte, sich zu
öffnen. Investigator Frost trat ein. Sie nickte Schwejksam zu
und blickte sich lässig um, während die Tür hinter ihr zuglitt.
Schwejksam machte sich nicht die Mühe, ihrem Blick zu folgen. Er wußte, daß es in seiner Kabine schrecklich aussah.
Schwejksam war nie besonders ordentlich gewesen, aber normalerweise kümmerte sich sein Bursche darum. Er hatte seinen
Burschen inzwischen seit fünf Tagen nicht mehr zu Gesicht
bekommen, und es überraschte ihn nur wenig, wie schlimm die
Dinge sich in fünf Tagen entwickeln konnten, wenn man keinen feuchten Dreck mehr darauf gab.
Schwejksam warf einen kurzen Seitenblick in den Spiegel an
der Wand und zuckte zusammen. Ein großer, schlanker Mann
Ende Vierzig blickte ihm entgegen, mit bleichem, tief zerfurchtem Gesicht, das dringend eine Rasur benötigte. Er sah ungewaschen und ziemlich heruntergekommen aus, genau wie das
ungemachte Bett, auf dem er saß. Seine Uniform war eine
Schande. Er hatte sich zweimal übergeben müssen, und der
linke Ärmel hatte sich nicht davon erholt. Investigator Frost
sah im krassen Gegensatz dazu makellos aus wie immer. Ihre
engsitzende Uniform war frisch gestärkt, die Knöpfe auf
Hochglanz poliert, als wollte sie im nächsten Augenblick zu
einer Parade antreten. Sie war großgewachsen, geschmeidig
muskulös und Ende Zwanzig, obwohl ihre Augen wesentlich
älter wirkten. Sie waren blau und von einer durchdringenden
Kälte, und sie stachen aus dem bleichen, beherrschten Gesicht
unter dem braunen, kurzgeschorenen Haar deutlich hervor.
Frost trug trotz der Schiffsvorschriften einen Disruptor an der
Hüfte, und auf ihrem Rücken hing ein langes Schwert. Selbst
jetzt noch, wo sie gelassen und entspannt dastand, erweckte sie
den Eindruck, es jederzeit mit einer Armee aufnehmen zu können. Und wer gegen Frost auf die Armee wettete, der hatte
entweder zuviel Geld oder war ziemlich mutig. Sie war attraktiv, aber nicht wirklich schön, und wer sie ohne schriftliche
Einladung anlächelte, war nicht mutig, sondern dumm. Frost
lächelte nur, wenn sie tötete. Sie zog einen Stuhl heran, entfernte mit Daumen und Zeigefinger ein schmutziges T-Shirt
und nahm unaufgefordert Schwejksam gegenüber Platz. Er hob
eine Augenbraue. Frost besaß normalerweise ein makellos
formelles Auftreten, selbst im Privaten.
»Was macht Ihr hier, Investigator?« erkundigte Schwejksam
sich müde und bemerkte erfreut, daß seine Stimme nicht zitterte, wenngleich er Mühe hatte, deutlich zu sprechen.
Frost schniefte. »Ich dachte, wir hätten ausgemacht, daß Ihr
zu trinken aufhört?«
»Ihr habt das allein ausgemacht. Ich war es leid, mit Euch zu
streiten.«
»Es kann Euch aber nicht helfen, Kapitän.«
»Es kann aber auch nicht schaden«, entgegnete Schwejksam.
»Die Dinge stehen bereits so schlecht, daß es nicht mehr
schlechter geht.«
»Es besteht immer die Möglichkeit, daß sich eine Situation
überraschend verbessert. Wir müssen unsere Sinne beisammenhalten, Kapitän. Wir müssen bereit sein, jeden Vorteil
wahrzunehmen, der sich uns bietet.«
»Macht das, Investigator, macht das. Ich bin zu müde, und es
kümmert mich nicht mehr. Außerdem – ganz egal, was auch
geschehen mag, unsere Mission ist trotzdem schiefgelaufen.
Die Zivilisation wird untergehen, und meine Männer werden
auch nicht mehr lebendig. Und es waren gute Männer. Sie folgten mir ins Labyrinth des Wahnsinns , weil ich es ihnen befahl.
Weil ich ihnen gesagt habe, es wäre sicher. Und als hätte das
noch nicht gereicht, habe ich die Überlebenden auch noch gegen die Hadenmänner geschickt. Es wäre freundlicher gewesen, sie alle in den Rücken zu schießen. Aber das habe ich ja
genaugenommen auch.« Schwejksam seufzte, als die vertrauten
Selbstvorwürfe und Schuldgefühle über ihm zusammenschlugen. Er hatte auch früher
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