Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
Schlaf geholt, weil er die Anzeigen wegen der Besetzung vom November 2004 nicht zurückgezogen hat.
16 . 11 . 2005 Bonn: Um 5 Uhr überprüfen
Die Überflüssigen
im Stile der berüchtigten Arbeitsagenturen die Wohnverhältnisse des noch amtierenden Arbeitsministers Wolfgang Clement und bringen am Haus und im Garten jede Menge Alarmwecker an. Grund des Protestes: »Wir lassen uns von den Herrschenden nicht straflos als ›Parasiten‹, ›Sozialschmarotzer‹ oder ›Abschaum‹ bezeichnen.«
29 . 11 . 2005 Berlin:
Die Überflüssigen
platzen in die Preisverleihung des »Reformer des Jahres« von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ( INSM ). Ihrerseits verliehen sie der INSM vor laufender Kamera den Preis für die »teuerste, dreisteste und dümmste Propaganda des Jahres«.
17 . 11 . 2006 Köln: Überflüssige besuchten das Ausländeramt im Bezirksrathaus Kalk, um gegen die in ihren Augen inhumane Migrationspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union zu protestieren.
17 . 1 . 2007 Braunschweig: Beim Prozess gegen Peter Hartz werden sie in Form von Live-Mitschnitten und großen Action-Fotos zum Aufmacher vieler Funk- und Printmedien. Sogar die
Süddeutsche Zeitung
berichtet: »Eine Gruppe von Demonstranten schaffte es, besonders oft in das Blickfeld der Kameras zu kommen. Etwa acht bis zehn Menschen trugen weiße Masken und rote Kapuzenpullis. Auf ihren Rücken konnte man ›die Überflüssigen‹ lesen.« [267]
2 . 3 . 2009 Oldenburg:
Überflüssige
bewerfen Oberbürgermeister Schwandner aus Protest gegen die Lokalpolitik mit Torten.
Die
SüddeutscheZeitung
fasst die recht unterschiedliche Beurteilung dieser Politspaßvögel zusammen: »Die Aktivitäten der Überflüssigen klingen nach harmlosem Witzprotest, dabei hat sie der Berliner Verfassungsschutz im Auge.« [268] Und dies eben nicht, weil derartige Gruppen den Rechts- und Sozialstaat »zersetzen«, sondern ihn mit zugegebenermaßen schrägen Methoden verteidigen wollen. Folglich bescheinigte das Bundesverfassungsgericht auch noch keiner einzigen Aktion der Spaßaktivisten Verfassungswidrigkeit, wohl aber einer Unmenge der von Rot-Schwarz und Schwarz-Gelb fabrizierten Gesetze. »Zersetzen« wollen
Die Überflüssigen
& Co. dagegen die deformierte Variante unserer Gesellschaftsordnung. Reizwörter wie »Arm-Reich-Schere«, »Umverteilung nach oben«, »Armut per Gesetz«, »Hungerlöhne«, »Weltfinanzkrise«, »Steuergeschenke«, »Umweltzerstörung«, »Weltgendarm« oder »Hunger in der Welt« und »Ausbeutung der armen Länder« hört man jedoch mittlerweile immer öfter auch aus den Reihen der Bundestagsparteien.
»Den Reichen nehmen und den Armen geben – das fordern die Globalisierungskritiker von Attac schon lange«, schreibt
Zeit Online
im Mai 2010 . »Nun, glauben sie, ist ihre Zeit gekommen.« [269] »Attac und andere globalisierungskritische Initiativen haben dazu seit Jahrzehnten einen Vorschlag: die Finanztransaktionssteuer. Noch im Jahr 2007 , auf dem G 8 -Gipfel in Heiligendamm, wurden Befürworter dieser Steuer als Spinner und Linksextremisten abgetan. Nun aber spricht sich selbst die CSU für dieses Instrument aus. Und die schwarz-gelbe Bundesregierung hat unter dem Druck von Christsozialen, Opposition und öffentlicher Meinung versprochen, sich für eine solche Steuer einzusetzen.« [270]
Ob eine solche Steuer irgendwann kommt, steht in den Sternen. Klar aber ist: Spaßige, ironische und augenzwinkernde Widerstandsaktionen mit Stil sind durchaus anregend sowohl für den Normalbürger, der die Wirklichkeit vielleicht verdrängt hat, als auch für die Politik, die offenbar mehr als nur simple Anregung braucht.
Spontan
Am meisten fürchten Herrschende die spontanen Aktionen der Menschen. Wenn etwa ein Ausländer umgebracht wird und sich Minuten später ein Protestmarsch gegen Neonazi-Verbrecher formiert, ist dies der reinste Horror für die Regierenden: Sollten sie sich nicht an die Spitze des Protestes gestellt und von ihren Assistenten formulierte Empörungserklärungen vom Blatt abgelesen haben?
Umso ärgerlicher ist für sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Es besteht keine Anmeldepflicht bei Spontandemonstrationen! Im Einzelnen führte das Gericht aus, normalerweise seien laut Versammlungsgesetz und im Einklang mit der Verfassung »Veranstaltungen unter freiem Himmel« anzumelden. Allerdings seien diese Vorschriften »dahingehend auszulegen, dass die Anmeldepflicht bei
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