Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
Earl Grant hier sei. Wird er geschätzt?«
»Sehr.«
»Der Junge sagte, sie träten gewöhnlich nur einen Abend auf und würden dann weiterfliegen. Da Mr. Grant heute abend hier ist, möchte ich annehmen, daß er gestern abend nicht hier war, und es besteht die Möglichkeit, daß Mr. Barrows und Miß Pris seine Vorstellung besuchen.«
»Er singt«, sagte ich, »und zwar sehr gut.«
»Haben wir genug Geld, um hinzugehen?«
»Ja.«
»Warum also nicht?«
Ich hob die Schultern. Warum nicht?
»Ich will nicht«, sagte ich.
»Ich bin eine weite Strecke gereist, um Ihnen zu helfen, Louis«, sagte er leise. »Ich glaube, dafür könnten Sie mir einen Gefallen tun. Ich würde Mr. Grant gerne das Lied des Tages singen hören. Wären Sie so freundlich, mich zu begleiten?« »Sie nageln mich bewußt fest.«
»Ich möchte, daß Sie den Ort aufsuchen, wo Sie Mr. Barrows und Miß Pris höchstwahrscheinlich sehen.«
Offensichtlich hatte ich keine andere Wahl.
»Also gut, gehen wir hin.« Ich suchte die Straße nach einem Taxi ab und verspürte Bitterkeit in mir.
Eine große Menschenmenge hatte sich aufgemacht, um den berühmten Earl Grant zu hören; wir konnten uns nur mit Mühe hineinquetschen. Von Pris und Sam Barrows war jedoch nichts zu sehen. Wir setzten uns an die Bar, bestellten und schauten von dort aus zu. Wahrscheinlich kommen sie nicht, sagte ich mir. Ich fühlte mich ein wenig besser. Eins zu tausend…
»Er singt wunderbar«, sagte das Simulacrum.
»Ja.«
»Der Neger hat Musik im Blut.«
Ich sah den Lincoln an. War das Sarkasmus? Diese banale Bemerkung, dieses Klischee – aber er zeigte eine ernsthafte Miene. Seinerzeit hatte die Bemerkung vielleicht nicht die Bedeutung gehabt wie heute. So viele Jahre waren inzwischen vergangen.
»Ich erinnere mich an meine Reise nach New Orleans, in meiner Jugend«, sagte das Simulacrum. »Damals lernte ich das armselige Dasein der Neger zum erstenmal kennen.«
Inzwischen hatte Grant mit einer neuen Nummer begonnen. Es war ein sanfter, trauriger Blues. Ich wurde immer nervöser, winkte den Barkeeper heran und bestellte einen doppelten Scotch.
Als Earl Grant verstummt war, sah mich das Simulacrum ernst an.
»Es tut mir leid, daß Sie bedrückt sind«, sagte ich. »Ich fange an, mir Sorgen zu machen.«
»Nicht Ihre Schuld. Ich bin von Stimmungen abhängig. Ich bin nämlich sehr abergläubisch, müssen Sie wissen. Ist das ein Fehler? Jedenfalls kann ich es nicht ändern – ich bin so.« »Trinken Sie noch etwas«, sagte ich und entdeckte erst jetzt, daß der Lincoln sein erstes Glas noch gar nicht angerührt hatte.
Er schüttelte stumm den Kopf.
»Hören Sie«, sagte ich, »gehen wir und nehmen wir die Maschine nach Boise.« Ich stieg vom Hocker. »Kommen Sie doch!«
Das Simulacrum blieb sitzen.
»Lassen Sie sich nicht so beeinflussen. Ich hätte es wissen müssen – der Blues wirkt auf alle Menschen so.«
»Es ist nicht der Gesang des Farbigen«, sagte das Simulacrum. »Es liegt an mir selbst. Geben Sie nicht ihm oder sich selbst die Schuld, Louis. Auf dem Flug hierher habe ich auf den unberührten Wald hinuntergeblickt und an meine Reisen mit meiner Familie und an den Tod meiner Mutter gedacht.«
»Du lieber Himmel, hier ist es zu düster, fahren wir mit dem Taxi zum Flughafen und…« Ich verstummte.
»Nun, Louis, ich hätte auf Sie hören sollen. Jetzt ist es zu spät.«
Ich stand starr neben meinem Barhocker.
XVI
Das Lincoln-Simulacrum sagte mir leise ins Ohr: »Louis, Sie müssen wieder auf Ihren Hocker steigen.« Ich nickte und kletterte ungeschickt hinauf. Pris – strahlte. Sie sah in einem der neuen Totalsicht-Kleider berückend aus… die Haare viel kürzer und nach hinten gekämmt, mit einem besonderen Lidschatten, durch den ihre Augen riesengroß und schwarz wirkten. Barrows, mit seinem Billardkugelkopf und seiner jovialen Art, sah aus wie immer. Er ließ sich grinsend eine Speisekarte geben und begann zu bestellen.
»Sie ist erstaunlich schön«, sagte das Simulacrum zu mir.
»Ja«, sagte ich. Die Männer an der Bar hatten sie alle angestarrt. Ich konnte es ihnen nicht übelnehmen.
»Sie müssen handeln«, sagte der Lincoln zu mir. »Ich fürchte, Sie können jetzt nicht gehen, und Sie können auch nicht bleiben, wo Sie sind. Ich werde zu ihrem Tisch gehen und ihnen sagen, daß Sie am späten Abend eine Verabredung mit Mrs. Devorac haben. Das ist alles, was ich für Sie tun kann; alles andere liegt auf Ihren Schultern, Louis.« Er stieg langbeinig vom Hocker und
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