Die Rebenprinzessin
der Nase verschloss. Unter dem Ordensschleier würde Anna gehen können, wohin sie wollte. Ein wenig erfüllte dieser Gedanke Bella mit Neid. Wahrscheinlich weiß Anna nicht einmal, welches Glück sie hat, überlegte sie.
Im nächsten Augenblick sog Anna warnend die Luft ein, denn ihr helles Gehör hatte die Mutter Oberin ausgemacht. Augenblicklich lösten sich die jungen Frauen voneinander und nahmen mit sittsam gesenktem Blick neben der Tür Aufstellung. Auch wenn dies Bellas letzter Tag hier war, würde es sich die Äbtissin nicht nehmen lassen, die Zelle zu inspizieren.
Tatsächlich ließ Magdalena beim Eintreten den Blick kritisch durch den Raum schweifen. Doch selbst wenn sie ihn unordentlich vorgefunden hätte, hätte sie Bella nicht gescholten. Das jedenfalls sagten ihre Augen.
»Ich werde dich vermissen, Mädchen«, stellte sie seufzend fest und schickte Anna mit einem Nicken aus dem Raum.
Bella sah ihr kurz nach, wandte sich dann jedoch der Äbtissin zu und entdeckte auf ihrem Gesicht ein wehmütiges Lächeln.
»Ich fürchte, ich kann dir in gewissen Dingen keinen Rat erteilen«, fuhr Magdalena fort. »Nur eines will ich dir sagen: Bleibe stets gottesfürchtig und gutherzig. Lass nicht zu, dass die Sünde ihre Krallen nach dir ausstreckt. Und lass auch niemals zu, dass jemand dir und den deinen ein Leid zufügt.«
»Das verspreche ich Euch«, entgegnete Bella und blickte ein wenig verlegen zu Boden. Sie wusste nicht, was sie in diesem Augenblick sagen sollte. Es war gewiss nicht so, dass sie das Kloster vermissen würde, aber dass sie nun fortging, erfüllte sie dennoch mit leichter Wehmut.
»Nun komm schon her und umarme mich, Kind!«, brach die Mutter Oberin schließlich die Stille, und die beiden Frauen fielen sich in die Arme.
Bella strömte der Weihrauchduft des Ordensgewandes entgegen, der sich an diesem Morgen mit dem grünen Aroma der Weinblätter vermischte. Offenbar hatte die Mutter Oberin vor ihrer Ankunft den Weinberg inspiziert.
Für Bella war dies ein hoffnungsvoller Abschiedsgruß. Den Weihrauch würde sie jetzt hinter sich lassen, der Weinberg lag vor ihr.
Auf dem Hof begegneten Bella und die Mutter Oberin Heinrich Oldenlohe. Er schien verschlafen zu haben, denn er steckte sich hastig sein Hemd in die Beinkleider. Das Wams hatte er sich unter den Arm geklemmt, ebenso wie sein Schwert.
»An Euer Gästequartier könnte ich mich gewöhnen, Äbtissin«, bemerkte er mit einem breiten Lächeln und warf sich das Wams über.
Bella beobachtete, wie ein paar Novizinnen, die den Hof fegten, verstohlen zu dem Mann herüberblickten. Bevor die Klostervorsteherin das bemerken und sie dafür rügen konnte, richteten sie ihre Blicke aber schnell wieder auf ihre Arbeit.
»Ich danke Euch, doch ich fürchte, Ihr werdet künftig mit anderen Quartieren vorliebnehmen müssen«, sagte die Äbtissin schlagfertig. »Es sei denn, dem Grafen beliebt es, mir eine weitere Schülerin zu überlassen.«
»Da werde ich Euch enttäuschen müssen«, entgegnete der Bote. »Zumindest vorerst, denn wie Ihr wisst, hat der Graf keine weiteren Töchter.« Damit richtete er den Blick auf Bella. »Aber wer weiß, vielleicht wird das gnädige Fräulein dereinst eines ihrer Kinder zu Euch schicken.«
Bella errötete, und das leichte Unwohlsein kehrte zurück.
Doch selbst wenn sie eines Tages Mutter werden würde, wollte sie es ihrer Tochter freistellen, ins Kloster zu gehen oder nicht. Sie selbst wusste nur zu gut, wie ein junger Mensch sich fühlte, wenn er einfach abgeschoben wurde, besonders dann, wenn er über die Dauer seines Aufenthaltes nicht in Kenntnis gesetzt wurde.
»Ich werde es in Erwägung ziehen«, entgegnete sie dennoch höflich, dann betrachtete sie die Kutsche.
Mit ihr waren auch einige Begleitreiter eingetroffen, die Reitröcke in den Farben ihres Vaters trugen. Sattes Grün und grelles Rot, Sinnbild der Weine, die die Grafen von Katzenburg kelterten, leuchteten ihr schon von weitem entgegen.
Das Gefährt, das sie zum väterlichen Gut bringen sollte, war schwer und mit eisernen Nieten und Bändern beschlagen, wie der Wagen eines Steuereintreibers, der durch Räuberland fuhr. Vier kräftige Fuchswallache zogen es, und auf der Ablage für das Gepäck standen zwei Lakaien, die ebenfalls rot und grün gewandet waren. Man konnte beinahe meinen, dass die Kutsche der Tochter eines Königs galt.
Der Tochter des Weinkönigs, dachte Bella lächelnd, dann verabschiedete sie sich von allen Schwestern, die
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