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Die Rebenprinzessin

Die Rebenprinzessin

Titel: Die Rebenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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sich hin und dachte an die Zeiten, als sie noch freudig erregt durch ihre Kemenate gelaufen war, wenn es hieß, dass eine Schneiderin kam, um ihr ein neues Gewand zu nähen. Vor dem Kleid, das sie nun bekommen sollte, fürchtete sie sich dagegen. Denn damit verbunden war ein Mann, den sie nicht liebte und dessen Art sie abstieß wie ein Böckser im Wein.
    Wie wäre es, wenn ich Martin freien dürfte?, fragte sie sich unvermittelt. Natürlich war er nur ein einfacher Knecht, aber sein Wesen leuchtete wie guter Wein, in dem sich die Sonnenstrahlen fingen.
    Die Erinnerung an den Kuss, den er ihr beim Lesefest gegeben hatte, stieg wieder in ihr auf und ließ eine wohlige Wärme durch ihre Brust und ihren Schoß ziehen.
    Lächelnd malte sie sich aus, wie es wäre, wenn sie mit Martin das Weingut führen würde. Er könnte sich um das Keltern kümmern, während sie die Rebstöcke hegte. Und im Winter könnten sie, gemeinsam unter ein Schaffell gekuschelt, die Früchte ihrer Arbeit genießen.
    Als jemand die Tür aufriss, verschwand der schöne Tagtraum, wie vom Wind verweht. Im Gegensatz zu den Mägden, die man kaum hörte, polterte die Schneiderin mit ihren Gehilfinnen herein wie eine Kuhherde.
    »Stellt die Kisten da ab, Mädchen, und legt die Stoffe aufs Bett!«, herrschte sie ihre Gefolgschaft an. »Und dass mir ja kein Schmutz an die kostbaren Gewebe kommt. Sehe ich etwas dergleichen, werde ich es euch vom Lohn abziehen.«
    Oda, die ebenfalls dabei war, warf Bella einen entschuldigenden Blick zu, und die Grafentochter lächelte der Magd zu. Das Theater gefiel ihr irgendwie. Es war immerhin etwas anderes, als unten bei ihrem Vater, dem Heiratswerber und dem Fürsten zu sitzen – auch wenn die Schneiderin Bella wiederum an ihre Misere erinnerte.
    Nachdem die Meisterin sichergestellt hatte, dass ihren kostbaren Stoffen nichts passiert war, verneigte sie sich tief vor Bella. »Gnädiges Fräulein, ich bin Meta Irrgang, Schneidermeisterin aus Koblenz. Euer Vater hat mich rufen lassen, um Euer Hochzeitsgewand zu vermessen.«
    »Es ist mir eine Freude, Meisterin«, entgegnete Bella und bemerkte, dass ein geschmeicheltes Lächeln über die Lippen der dicken Frau huschte. »Wohlan, sagt mir, was ich zu tun habe. Seit ich zehn Jahre alt war, wurde mir kein Gewand mehr angemessen, die Kleider im Kloster wurden nach Augenmaß genäht.«
    Bella stand auf und stellte sich in die Mitte des Raumes – so, dass sie aus dem Fenster auf die gegenüberliegenden grünen Hügel blicken konnte. Dann hob sie die Arme.
    Die Schneiderin lächelte ein wenig peinlich berührt, ehe sie sagte: »Ihr solltet Euch vorher entkleiden lassen. Zumindest bis aufs Hemd.«
    Bella blickte zu Oda hinüber, die sie auch ohne einen Befehl verstand. Augenblicklich huschte sie zu ihrer Herrin und begann, die Bänder und Schnürung des Kleides zu lösen. Nach und nach lockerte sich das Gewand und fiel wenig später zu Boden. Ein Luftzug erfasste Bella und ließ sie frösteln, doch wie sie so mit ausgestreckten Armen dastand, fühlte sie sich wie eine Taube, die nur mit den Flügeln schlagen musste, um sich in die Lüfte zu erheben.
    Da trat die Schneidermeisterin vor sie, wie ein Felsen, der ihr den Weg versperrte. Die Frau setzte ihre Elle an und begann wild an ihr zu zerren und zu reißen. Bella musste sich mehrmals umdrehen, und immer wieder traf Meta Irrgang sie mit der Elle irgendwo an ihrem Körper. Dabei sagte sie die Maße an, die eine ihrer Gehilfinnen niederschrieb.
    Wie gerne wäre ich jetzt im Weinberg, dachte Bella. Die neuen Trauben sind sicher längst reif und müssten gelesen werden. Dieses Vergnügen wird mir mein Vater wohl auch verwehren wollen.
    Schließlich konnte sie sich wieder umdrehen. Just in diesem Augenblick brach die graue Wolkendecke auf und ließ einen Sonnenstrahl hindurch. Dieser traf ein kleines Stück des Hügels und malte einen leuchtend gelben Fleck darauf. Ist es ein Hoffnungsschimmer?, dachte Bella. Ein Zeichen, dass doch noch alles gut wird?
    Wieder zerrte die Schneidermeisterin an ihr, und der hoffnungsvolle Gedanke wich dem Wunsch, die Prozedur möge endlich beendet sein.
     
    Jetzt, da die Lese vorbei war, ging es im Keller erst recht hoch her. Fässer wurden versiegelt, an ihren Stellplatz gebracht und befestigt. Wer nicht direkt damit zu tun hatte, der durfte die abgefüllten Fässer bewegen oder die benutzten Gerätschaften säubern. Das war nicht ganz so schlimm, wie die Fässer vom Weinstein zu befreien, sorgte

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