Die Rebenprinzessin
sie den Verstand verloren.
»Verzeiht die Rede meiner Tochter«, wandte sich Rudolph von Katzenburg an den Fürsten. »Sie meint es nicht so. Ihr Herz hängt an den Menschen hier, und sie sieht lieber, dass es ihnen wohl ergeht. Wie ich übrigens auch.«
Bella zog verwundert die Augenbrauen hoch. Hatte ihr Vater ihr etwa gerade recht gegeben? Natürlich verbunden mit einer Rüge, aber dennoch hatte er gesagt, dass er etwas ebenso sah wie sie.
Lange hielt die Freude darüber allerdings nicht an.
»Dann will ich hoffen, dass sie an meinen Methoden, mit dem Volk umzugehen, nichts auszusetzen hat. Es wäre doch ein Jammer, wenn meine Gemahlin mich nicht unterstützen würde.«
Bella konnte sich schon denken, was das hieß. Der Samt auf ihrer Haut würde sie nicht davor schützen, dass der Fürst wie ein gewöhnlicher Bauer zur Knute griff, wenn sie nicht gehorchte.
Die junge Frau warf ihrem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu. Hast du das vernommen?, fragte sie im Stillen, doch der Graf tat so, als wäre nichts gewesen. Er rief dem Kutscher zu, dass er den Wagen zum Stehen bringen möge, und stieg dann aus dem Sattel, um die Huldigung des Dorfschulzen anzunehmen.
Als sie im Abendrot mit dem leeren Wagen heimkehrten, waren die Kellerknechte gerade damit beschäftigt, den Mahlbottich zu säubern, in dem auch heute die Trauben zu Most und Maische zertreten worden waren.
Der Duft des frischen Rebsaftes umwehte Bella wie eine Frühlingsbrise. Tief sog sie ihn in ihre Lungen ein, als sie aus dem Sattel ihres Pferdes stieg, dann hielt sie Ausschau nach Martin.
Leider konnte sie ihn unter den auf dem Hof arbeitenden Menschen nicht ausmachen. Zeit, ihn zu suchen, hatte sie leider auch nicht, denn ihr Vater drängte darauf, in den Speisesaal zu gehen. Das bedeutete nicht nur, dass sie noch länger mit Roland von Hohenstein ausharren musste, sondern auch, dass sie Martins Brief nicht lesen konnte.
Während des ganzen Tages hatte der Fürst gegenüber ihrem Vater immer wieder zur Sprache gebracht, dass es lohnender sei, die Dörfer in guten Jahren höhere Abgaben entrichten zu lassen. Der Graf hatte sich so höflich wie möglich herauszureden versucht, aber Bella hatte seiner Stimme deutlich angehört, dass er nicht gewillt war, den Ratschlägen des Fürsten nachzukommen. Immerhin etwas, dachte sie. Vielleicht steckt in ihm ja doch noch etwas von dem Vater, den ich einst kannte. Es war aber anzunehmen, dass Roland von Hohenstein beim Abendessen das Thema erneut aufgreifen würde.
Bella blickte zu dem Fürsten und ihrem Vater hinüber, die sich gerade lebhaft miteinander unterhielten. Wie sollte sie das Gerede der beiden nur den ganzen Abend über aushalten? Es war ihr zwar nicht unangenehm, dass der Fürst sich mittlerweile mehr für ihre Mitgift als für sie interessierte, dennoch verdarb ihr allein der Klang seiner Stimme den Appetit.
Da kam ihr eine Idee. Ihr Vorhaben zog vielleicht wieder Schimpf nach sich, aber das war es ihr wert. Nur durfte sie sich jetzt nichts anmerken lassen!
Die Tafel, die sie beim Betreten des Saales erwartete, bog sich unter frischem Backwerk und Fasanen, die die Wildhüter am Mittag in die Burg gebracht hatten. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte Bella, dass Hans von Uhlenfels bereits das Wasser im Mund zusammenlief. Fürst von Hohenstein schien sich noch immer auszurechnen, wie viele Taler mehr man aus den Lehen, die er gesehen hatte, herausholen konnte, und ihr Vater tat so, als gäbe es seine Tochter gar nicht.
Wahrscheinlich wird er froh sein, wenn ich aus dem Haus bin, ging es Bella durch den Kopf, dann griff sie verstohlen an ihren Ärmel. Der Brief fühlte sich an wie ein Rettungsanker und würde ihr die Kraft geben, ihren Plan in die Tat umzusetzen.
Nachdem sie Platz genommen hatten, rief der Graf die Mägde herbei, die den Wein ausschenken sollten. Der Kellermeister hatte ein Fass vom vergangenen Jahr hochtragen lassen. Hellrot wie Blut floss der Wein aus den Karaffen, in die er geschüttet worden war, um seinen Geschmack zu entfalten.
Bella bedauerte ein wenig, den Wein dazu benutzen zu müssen, um einen Moment des Alleinseins zu gewinnen, aber in diesem Augenblick hätte es sie beinahe vor Neugier zerrissen, was wohl in Martins Brief geschrieben stand.
Als Lies zu ihr kam, um ihren Pokal zu füllen, versetzte sie der Magd mit dem Finger einen Stich in die Seite. Lies juchzte auf und verschüttete im Zurückweichen etwas Wein, der genau auf Bellas Kleid landete.
Die
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