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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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die Kleidung, die aus einer Moderadierung aus dem Second Empire zu stammen schien.
    » Sie gehörten dem Vorfahren und Begründer unseres Geschlechts«, sagte Hippolyte und deutete auf die Vitrine mit den Nasen und dann auf ein Ölgemälde, das an der Holzvertäfelung im hintern Teil des Raumes hing und dem sieben weitere folgten.
    Malzac näherte sich den Gemälden und sah einen lächelnden jungen Mann mit einer höckerigen Holznase, die im Nacken von einem Lederband gehalten wurde. Er posierte auf einer Richtbühne, die vor mehreren Galgenbalken aufgebaut war, an denen vier Menschen hingen, die der Künstler mit großem Realismus dargestellt hatte. Auf der einen Seite neben dem jungen Mann saß ein grauer Wolf auf den Hinterpfoten, auf der anderen stand ein Richtblock, in dem ein Beil steckte. Seine Kleidung erinnerte an die Romanfiguren von Alexandre Dumas, er trug ein langes Florett und in seinen Gürtel waren zwei Pistolen geschoben. Das Herrenhaus stand noch nicht, an seiner Stelle erhob sich eine kleine Hütte aus blutrot angestrichenen Brettern. Auf dem kleinen Kupferschildchen, das an dem teuren Rahmen aus vergoldetem Holz befestigt war, stand: Justinien I. (1663-1755).
    »Was darf ich Ihnen anbieten, Kaffee, Tee oder vielleicht Wein?«
    Der Anwalt entschied sich für den Wein, doch ehe er sich setzte, wollte er noch die anderen Gemälde betrachten.
    Justinien II. (1699 - 1764) sah mit rätselhaftem Blick unter seinem rot-schwarzen Dreispitz hervor. Er stützte die gekreuzten Arme auf einen leeren Galgenarm. Man sah schon das Haus mit seinen beiden runden Türmen, das ganz in Rot gestrichen war, doch es gab noch keine Befestigungsmauer, Aus einem der schwarzen Schieferschornsteine drang Rauch. Auf einem Banner, das am Himmel schwebte, konnte man die Inschrift lesen: Gott und wir allein richten.
    Bekleidet mit einem kurzen Jakobinerwams aus Gamsleder und grün-gelb gestreiften Beinkleidern, auf dem Kopf die Jakobinermütze, so lächelte Justinien III. (1732-1804) bescheiden den Maler an. Er stand neben seiner Guillotine auf dem Schafott, das auf dem Place du Trou aufgebaut war. Im Hintergrund sah man die Nationalgarde und eine begeisterte Menge. Mit ausgestrecktem Arm hielt er einen Kopf mit Perücke in die Höhe.
    Schauplatz des Porträts von Justinien IV. (1772-1850) war wieder die Kreuzung des jüngsten Gerichts. Man hatte das Haus von der roten Farbschicht befreit, und es war nun von einer mit aufgestellten Partisanen bewehrten Mauer umgeben. Sein Besitzer war mit einem Gehrock mit Kragen, einer Krawatte mit dreifachem Knoten und einer gestreiften Drillichhose bekleidet. Auf dem Kopf trug er einen runden Hut mit einer breiten, heruntergezogenen Krempe. Er hatte sich im Hof neben einer Guillotine, die mit Rädern und einer Deichsel versehen war, malen lassen.
    Auf dem folgenden Gemälde sah man Justinien V. (1814-1850) in voller Lebensgröße vor einem violett-roten Himmel. Zwei Engel, die das Familienwappen trugen, schwebten in der oberen Ecke des Bildes. Der fünfte Justinien sah den Maler mit einem schelmischen Blick an, der hervorragend wiedergegeben war.
    Justinien VI. (1832-1850) war unvollendet. Malzac sah einen Jugendlichen mit fröhlichem Gesichtsausdruck, ohne Hut und bartlos, der in lässiger Haltung, die Hände in die Hüften gestemmt, vor einem Blutgerüst mit Guillotine beides nur knapp skizziert - stand.
    Das siebte Bild hatte kein Namensschildchen. Es zeigte eine ältere Dame mit energischen Zügen. Sie saß mit einem kleinen, äußerst entschlossen wirkenden Jungen auf einem Diwan und trug ein schwarzes Satinkleid mit Reifrock. In den schmalen Händen hielt die Witwe einen auseinandergefalteten Brief. Malzac beugte sich ein wenig vor. Obgleich die Schrift sehr klein war, war sie doch lesbar: Es war eine Ernennungsurkunde zum obersten Henker auf den Namen Hippolyte Pibrac.
    Das achte und letzte Bild der Ahnengalerie zeigte Hippolyte, ebenso entschlossen und kaum älter als auf dem vorhergehenden, der stolz neben einer Guillotine posierte, die eine Hand ruhte auf dem Auslösehebel, in der anderen hielt er ein Stück Stoff. Er trug weder Bart noch Kopfbedeckung, und in seinem roten Samtgehrock, seinem weißen Hemd mit besticktem Jabot, den schwarzen Beinkleidern und den schwarzen Stiefeln mit rotem Aufschlag sah er sehr beeindruckend aus. In seinem Wehrgehenk mit der ziselierten Silberschnalle steckte ein Revolver. Wie bei dem siebten Bild war auch hier kein Kupferplättchen am Rahmen

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