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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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einen Zylinder, den sie zwei Wochen zuvor in Rodez gekauft hatten.
    Ehe sie aufbrachen, übergab ihm Clémence feierlich die beiden Pistolen, die sie seinem verstorbenen Bruder zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte.
    In der Stadt verursachten die schwer beladenen Wagen und seine Insassen den gewohnten Aufruhr.
    »Da ist das Weib des Henkers mit seinem Kleinen!«
    Clémence war durch die lange Gewohnheit gegen die feindselige Neugier, die man ihr jedesmal entgegenbrachte, abgestumpft. Ganz in Schwarz gekleidet, saß sie ungerührt in der Kutsche und gab ihrem Sohn Ratschläge.
    »Du mußt aufpassen, wie es gemacht wird, vor allem das Senkblei ist wichtig, und wenn du etwas nicht verstehst, dann frage Félix.«
    »Ja, Mama.«
    Als sie den Place du Trou erreichten, wurde der Wagen abgeladen. Ohne irgendwelche überflüssigen Handgriffe bauten die Knechte und ihre Gehilfen die Richtbühne auf und öffneten dann die gepolsterte Kiste, in der die Guillotine lag. Wie jedesmal machte sich in der bereits versammelten Menge der Schaulustigen beim Anblick des Fallbeils Unruhe breit. Clémence forderte Hippolyte auf, sich weiter vorzubeugen und zuzusehen, wie Casimir den Fallhammer ausrichtete, der rot gestrichen war. Dann deutete sie auf Félix, der vor der Mechanik kniete und mit einer Wasserwaage den geraden Stand der Balken überprüfte. Mit dem Zeigefinger zeigte er dem Jungen, wo sich die Luftblase befinden mußte, damit alles ganz gerade stand.
    »Es ist sehr wichtig, daß die beiden Holme genau senkrecht stehen, sonst gleitet das Fallbeil nicht richtig und schneidet schlecht. Dann mußt du den Kopf mit dem Messer abtrennen. Das ist eine schmutzige Arbeit und macht bei den Zuschauern keinen guten Eindruck.
    Als alles für einen Probelauf bereit war, zeigte Félix dem Jungen den Hebel:
    »Die Ehre wird dir zuteil.«
    Die Wangen vor Freude gerötet, sah Hippolyte schüchtern seine Mutter an, die ihm aufmunternd zunickte. Er drückte den Hebel herunter. Die Klinge sauste herab und stieß mit einem trockenen Knall auf die Dämpfer. Der Aufprall ließ die Bretter unter seinen Füßen erzittern. Ohne daß man ihn dazu aufforderte, zog der Junge den Strick wieder an, um die Mechanik zu spannen, so wie er es zuvor bei Félix beobachtet hatte.
     
    Clémence und die Knechte begriffen, daß die Nachfolge gesichert war.
    Gegen Mittag fuhren sie nach Hause und ließen nur zwei Gehilfen zurück, die sich zum Essen unter das Schafott gesetzt hatten, um sich vor den neugierigen Blicken zu schützen.
    Eine Stunde vor der Hinrichtung erschien Hippolyte in Begleitung seiner Knechte in der Gerichtsschreiberei, um den Verurteilten in Empfang zu nehmen. Seine Mutter hatte nicht die Erlaubnis, ihnen zu folgen und mußte draußen warten. Um sich gegen die Sonne zu schützen, spannte sie ihren Schirm auf und ging auf und ab.
    Als sie seinen Kerker betraten, bohrte Louis Magne hingebungsvoll in der Nase. Beim Anblick des Jungen empörte er sich: »Zum Teufel, das ist kein Schauspiel für ein Würstchen seines Alters! «
    » Ganz ruhig, Magne, er ist der Henker! « warnte der Oberaufseher.
    »Der Henker? Mein Henker, dieser Däumling? Nie im Leben, da lache ich mich doch lieber zu Tode! «
    » Ruhe, Magne, Ruhe! « befahl der Oberaufseher und hielt sich, ebenso wie die Knechte, bereit, um nötigenfalls einzuschreiten. »Er ist bestellt, er muß da sein, das verlangt das Gesetz.«
    Der Ochsenhirte lehnte sich an die Wand, die mit Kritzeleien bedeckt war, und ballte die Fäuste.
    »Mich von so einem Dreikäsehoch einen Kopf kürzer machen lassen? Nie im Leben, sage ich. Wie stehe ich denn dann da?«
    » Sei nicht widerspenstig, sonst schlagen wir dich nieder «, drohte Félix und schwang den Hocker, den er in der Hand hielt.
    Als er gerade zuschlagen wollte, sagte Hippolyte mit sanfter Stimme:
    » Ich werde Sie nicht anrühren, Monsieur. Ich bin nur hier, um meine Aufgabe zu erlernen.«
     
    Alle in der Zelle waren wie versteinert, berichtete später der Wärter. Louis sah aus, als wisse er nicht, ob er »lachen oder weinen« solle. Seine Muskeln entspannten sich, die Fäuste öffneten sich, er seufzte und gab nach.
    »Na endlich! Ihr habt euch ja Zeit gelassen«, murrte Clémence, als sie schließlich aus dem Gerichtsgebäude traten.
    Magne kletterte auf den hinteren Teil des Wagens, dessen Plane man zu diesem Zweck entfernt hatte. Die Menge, die sich um das Gerichtsgebäude versammelt hatte, buhte, wenngleich ohne große Begeisterung. Sein

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