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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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man anschließend die Archive samt den Pergamentrollen verbrannt hatte, auf denen die herrschaftlichen Rechte niedergeschrieben waren, hatte die Burg Feuer gefangen und war zu Dreivierteln zerstört worden. Dank einer Sammlung, die der Bürgermeister veranstaltet hatte - er war ein Boutefeux -, hatte man es teilweise wiederaufgebaut. jetzt war das städtische Museum in dem großen Saal untergebracht. Ein Teil war den Ergebnissen der Ausgrabungen vorbehalten, die man unter dem Dolmen an der Kreuzung des jüngsten Gerichts vorgenommen hatte.
    Seine Klassenkameraden verbrachten die vier Pausen damit, ihn zu umdrängen und ihn nach dem Fest, das jetzt in aller Munde war, zu befragen.
    Am Anfang seiner Schulzeit, als er bei seinem Onkel wohnte, hatte er gegen viele Vorurteile ankämpfen müssen, doch dank seiner Freundlichkeit, die frei von allen Hintergedanken war, und seines Kameradschaftsgeistes hatte er schnell das Ansehen seiner Kameraden und Lehrer gewonnen. Letztere waren einhellig der Ansicht, daß er zwar langsam, aber sehr genau war, hartnäckig, wenn er etwas nicht verstanden hatte, und besser in Zusammenhängen denken konnte als die meisten jungen seines Alters.
    »Stimmt es, daß das alles Henker im Ruhestand waren?«
    »Es waren keine >Henker im Ruhestand<, wie du fälschlicherweise sagst, sondern Scharfrichter, die ohne ihr Verschulden arbeitslos geworden sind. Es gibt in diesem Beruf keine Altersgrenze. Einer meiner Vorfahren war bis zum Alter von einundneunzig Jahren im Amt.«
    » Stimmt es, daß das Herrenhaus ein Museum der Todesstrafe werden soll?«
    »Das stimmt. Der Eintritt wird einen Franc kosten - wie für die Burg. Wir haben richtige Eintrittskarten, und wir lassen Postkarten von den schönsten Stücken machen.«
    Er zog einen Satz aus seiner Schultasche und zeigte sie herum. Er mußte ganz genau erklären, was die Schaukästen mit den Hemdkragen zu bedeuten hatten.
    An diesem Morgen kam Parfait zwei Stunden zu spät. Er erklärte dem Lehrer, daß in der Nacht Unbekannte Steine in das Schaufenster seiner Eltern geworfen hätten.
    »Ich mußte erst beim Saubermachen helfen, Monsieur.«
    » Papa sagt, daß eure Gäste das gemacht hätten «, vertraute er später Saturnin an.
    »Und warum hätten sie so etwas tun sollen? Die meisten von ihnen haben im Herrenhaus geschlafen, weil es in den Hotels keinen Platz mehr gab.«
    Parfait zuckte mit den Schultern, ihm war das gleichgültig. Das einzige, was ihn interessierte, war, daß sein Vetter Zeit genug hatte, ihm die Mathematikaufgaben zu machen, von denen er »keinen Deut« verstand. Die Schule und das, was man ihm beizubringen versuchte, blieb für ihn ein undurchdringliches Geheimnis. Was seine Lehrer erzählten, ging zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus.
    Als Casimir mit dem Landauer vor der Schule ankam, spielten die beiden Kinder unter den Kastanienbäumen, deren Stämme von unzähligen Einkerbungen bedeckt waren, Murmeln.
    »Soll ich dich zu Hause absetzen?« schlug der Knecht vor.
    Der Junge sah beschämt zur Seite: »Lieber nicht, wenn meine Mutter das sieht, bekomme ich Prügel.«
    Also kletterte Saturnin alleine auf den Kutschbock und sagte:
    »Man hat Onkel Léons Schaufensterscheibe eingeschlagen. Er sagt, daß es einer unserer Gäste war.«
    »Wenn er es beweisen kann, soll er doch zur Gendarmerie gehen, wenn nicht, soll er lieber den Mund halten.«
    Eine halbe Stunde später erreichte der Landauer das Herrenhaus, wo nichts mehr auf ein Fest hindeutete: Der Hof war gefegt, das Geschirr abgespült und aufgeräumt, der Kachelboden in der Küche gewischt und das Schafott abgebaut.
    Die Kutsche der Deiblers stand im Hof, die Koffer waren schon aufgeladen.
    Saturnin betrat das Haus. Sein Großvater saß mit Anatole und Rosalie Deibler, die zum Aufbruch bereit waren, am Tisch. Sie sahen ihn wohlwollend an. Er hatte das Gefühl, daß sie über ihn sprachen, und Hippolyte bestätigte diesen Eindruck:
    »Wir haben auf dich gewartet. Räum deine Schultasche weg und setz dich zu uns. Anatole will dir etwas sagen, ehe er aufbricht.«
    So schnell er konnte, lief Saturnin die Treppe hinauf, doch plötzlich hielt er inne, denn er hörte, wie Casimir die Geschichte von Onkel Léons zerschlagener Schaufensterscheibe erzählte. Sein Großvater lachte fröhlich:
    »Das muß Artault aus Poitiers gewesen sein. Er hat mir erzählt, daß er in einer Bäckerei nach dem Weg gefragt und man ihn Richtung Saint-Flour geschickt hätte.«
    Saturnin lief

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