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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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in sein Zimer, warf die Schultasche auf den Tisch und kam sogleich zurück.
    Er setzte sich kerzengerade auf den Stuhl neben dem seines Großvaters und wartete darauf, daß Anatole ihm mitteilen würde, was er zu sagen hatte.
    »Würdest du gerne nach Paris kommen, um unseren Beruf zu erlernen?«
    Ein Schimmer von Unruhe leuchtete in den Augen des Jungen auf:
    »Jetzt gleich?«
    »Nein, natürlich nicht. Mach nur erst deine Schule fertig.
    Du hast Zeit genug, darüber nachzudenken. Dein Großvater glaubt, daß du deine Sache sehr gut machen wirst. Ich dagegen sage, daß man deine erste Hinrichtung abwarten muß, um das beurteilen zu können.«
    »Ich habe schon eine gesehen, Monsieur, Sie selbst und Großvater haben guillotiniert. Ich war zwar noch klein, doch ich erinnere mich gut daran.«
    Hippolyte und Anatole schienen betreten: Während der letzten zwei Tage hatten sie diese Unstimmigkeit nicht einmal erwähnt. Rosalie wechselte das Thema:
    »Würdest du gerne Paris kennenlernen?«
    »Ja, Madame.«
    Man beließ es dabei. Die Deiblers verabschiedeten sich und nahmen einhundert Postkarten mit, um sie zu verteilen, sobald sich eine Gelegenheit bot. Schließlich reichte es nicht, ein Museum zu eröffnen, vor allem mußten die Leute von seiner Existenz erfahren.
    »Die Vorstellung, Anatoles Gehilfe zu werden, scheint dich nicht zu begeistern «, wunderte sich Hippolyte später.
    » Es ist die Vorstellung, von hier weggehen zu müssen, die mir nicht gefällt, Großvater. Sonst würde ich sehr gerne nach Paris gehen und wie du Scharfrichter werden. Aber ich fühle mich wohl hier, und ich habe keine Lust wegzugehen
     
     
    7
     
    Paris, Gare d’Austerlitz,
    Donnerstag, den 3. September 1913
     
     
    Anatole Deibler war überrascht, als er Saturnin erkannte, der aus dem Zug stieg. Er hatte einen Jungen in kurzen Hosen in Erinnerung behalten, doch jetzt stand er einem breitschultrigen jungen Mann gegenüber, der ihm kräftig die Hand schüttelte. Er trug keinen Hut, das schwarze Haar war zurückgekämmt und ließ die hohe glatte Stirn frei. Mit seiner schwarzen, rauhledernen Jagdjoppe, seiner buntbestickten Seidenjacke, der Rauhlederhose und den schwarzen hohen Stiefeln ohne Aufschlag wirkte er wie ein Landjunker aus dem letzten Jahrhundert.
    »Guten Tag, Monsieur Deibler.«
    »Guten Tag, mein Junge. Willkommen in Paris! Wie geht es deinem Großvater und Casimir?«
    »Es geht ihnen gut, und sie haben mir aufgetragen, Ihnen Grüße zu übermitteln.«
    Anatole deutete auf seinen Begleiter, einen Mann mit einer kurzen Knollennase, unter der sich ein Schnurrbart kräuselte, der an ein Büschel Petersilie erinnerte.
    »Das ist Yvon, mein erster Gehilfe. Er wird dich in unser Handwerk einführen.«
    Saturnin schüttelte ihm die Hand und sagte dann ohne jegliche Prahlerei zu Deibler:

»Das hat Großvater schon getan. Er sagt, daß außer Ihnen und ihm selbst niemand mehr darüber weiß als ich ... Natürlich nur in der Theorie.«
    Anatole sah betreten aus, Yvon verzog das Gesicht.
    »Für einen Hinterwäldler, der gerade aus seinem gottverlassenen Nest kommt, ist er ganz schön eingebildet.«
    »Laß ihm ein wenig Zeit, um sich an unsere Sitten zu gewöhnen« sagte Anatole. »Außerdem sollten wir uns langsam auf den Weg machen, bevor wir hier Wurzeln schlagen.«
    Saturnin folgte ihnen und fragte sich, ob er auf die Beleidigung eingehen sollte, die er in dem Wort »Hinterwäldler« vermutete. Was hätte sein Großvater getan?
    Im Hinblick auf seine baldige Abreise hatte dieser die letzten Monate darauf verwendet, ihn auf sein Leben in der Hauptstadt vorzubereiten, so wie man einen Soldaten auf das Zusammentreffen mit dem Feind vorbereitet: » Gehe immer überlegt und analytisch vor. Sei kritisch, deduktiv und induktiv. Folge immer nur deinem logischen Verstand. Deine erste Reaktion einer neuen Sache oder Person gegenüber muß eine Frage sein: Um was geht es?«
    Das Geschrei, die eiligen Menschen, das Gedränge bis hin zum Ausgang, das Getümmel auf den Straßen gefielen ihm. Er fühlte sich unerkannt, und all das war ihm eher angenehm. Hier beachtete sie niemand, kein Mensch bekreuzigte sich und wich aus, wie er es von den Besuchen in Bellerocaille her kannte, die er mit seinem Großvater unternommen hatte.
    » Oh, ein Darracq! « bemerkte er, als Anatole auf ein Automobil deutete, das vor dem Bahnhof geparkt war, und ihm sagte, er solle sein Gepäck im Kofferraum verstauen.
    »Das kennst du?« wunderte sich der

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