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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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gebracht, während Justinien so lange an Händen und Füßen festgehalten wurde, bis der Vorsteher kam. Er hatte in dem Gemenge seine Nase verloren und forderte sie lauthals zurück. Wenn der Rektor kommen würde, würde er ihm erklären, daß er darauf verzichte, Wächter zu werden, und er das Priesterseminar unverzüglich verlassen wolle, noch heute ...
    Die Perücke frisch gepudert, stürmte Rektor Gédéon mit mürrischem Gesicht in das Klassenzimmer. Der Sittenpräfekt folgte ihm auf dem Fuße.
    »Man hätte meinen können, man habe es mit einem Besessenen zu tun. Er wollte den armen Ravignac gar nicht mehr loslassen. Wir mußten ihn fast niederschlagen, um ihn zu bändigen«, erklärte Pater Vaillant völlig außer Atem.
    »Edler Rektor, ich will gehen. Ich will wieder nach Hause«, mischte sich Justinien ein, wobei er sich wehrte.
    Der Rektor beugte sich über ihn und ohrfeigte ihn zum vierten Mal. Regel Nummer eins.
    »Morgen wird sich zur Terz das Offizialat versammeln, dort wird man entscheiden. Bis dahin kommst du in den Kerker.«
    Während er redete, musterte der Rektor neugierig das unschöne Loch, das das Gesicht des jungen Mannes entstellte.
    »Meine Nase! Ich will meine Nase!« schrie Justinien, während man ihn aus dem Klassenzimmer schleppte.
    Er konnte gerade noch erkennen, wie der Sittenpräfekt sie mit einem einzigen Tritt unter seinem Absatz zermalmte, so wie man eine Nuß zermalmt. Er hörte auf, sich zur Wehr zu setzen, tat noch einen allerletzten Seufzer und schien in Ohnmacht zu fallen. Überrascht hielten seine Träger inne. Sie legten ihn auf den Steinboden des Wandelganges, und einer von ihnen tätschelte ihm die Wange. Justinien richtete sich urplötzlich wieder auf und hatte nur noch einen einzigen Gedanken im Kopf: weg hier.
    » Er flieht! « schrie man hinter ihm her.
    Unter den verdutzten Blicken einer Zenturie, die gerade den Kniefall übte, überquerte er den Hof und kam an die Pforte ... sie war zugesperrt. Da seine Verfolger rasch näher kamen, lief er auf den Schuppen zu, der direkt an der Umfriedung lag und den Brüdern Gärtner als Lagerraum diente. Er stürzte hinein und verkeilte die Tür mit einer Schaufel. Draußen hämmerte man schon gegen die Tür und forderte ihn auf, sich zu ergeben.
    »Gebt mir einen Passierschein für Roumégoux, und ich komme heraus«, entgegnete er ihnen, während er seine Barrikade durch eine Bank, ein schweres Wagenrad und drei Säcke Nüsse verstärkte.
    Von den Fenstern her drohte keine Gefahr: sie lagen zu weit oben und waren vergittert. Er kletterte die Leiter, die auf den Hängeboden führte, hoch und versetzte damit eine ganze Schar Ratten in Aufruhr, die er mehr hörte, als daß er sie sah. Äpfel trockneten auf ausgebreiteten Tüchern und verströmten einen leicht säuerlichen Geruch.
    Justinien öffnete die Dachluke und beugte sich hinaus. Mittlerweile hatten sich viele rund um den Schuppen versammelt. Sein Erscheinen sorgte für neuen Aufruhr. Man zeigte mit dem Finger auf ihn.
    »Postulant Trouvé«, schrie ihm der Rektor Gédéon zu, »ich fordere Euch auf, Euch zu ergeben! «
    Justinien ignorierte ihn. Er stieg die Leiter wieder hinab, nicht ohne sich zuvor noch ein paar Äpfel genommen zu haben, die er mit gesundem Appetit verspeiste. Die Schläge des Regens mit dem Ochsenziemer brannten auf seinem Rücken. Wenn mich der Patenonkel doch nur vorgewarnt hätte! dachte er. jemand versuchte, die Tür aufzubrechen. Er griff sich eine Hacke und hielt sich bereit, um sich zu verteidigen. Seine Entschlossenheit gefiel ihm, sie erinnerte ihn an die Geschichten von Martin und Jules.
    Die Tür hielt stand.
    » Ihr werdet es noch bitter bereuen, Ihr elender Dickschädel! Ihr werdet zuletzt doch noch herauskommen müssen«, rief ihm der Rektor von der anderen Seite der Tür her zu.
    Plötzlich hörte Justinien, daß ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde. Er sah, wie sich der Riegel in das Schließblech schob. Dann hörte er Gelächter: Man hatte ihn soeben eingeschlossen. jetzt, da er sozusagen nichts mehr zu tun hatte, fing er an, den Schuppen zu durchstöbern. Er entdeckte ein paar Stricke und fand eine Kiste voller Gartengeräte, unter anderem ein kleines Messer mit einer dreieckigen Klinge, mit dem man Rosensträucher veredelte. Nachdem er es an der metallenen Ummantelung des Wagenrades geschärft hatte, schnitzte er sich eine Nase aus dem Stiel einer Egge. Während er an der Nase arbeitete, grübelte er darüber nach, wie er wohl

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