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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Anflug von Schwäche. Sie schafft es nicht!
    Ihre Augenlider zuckten.
    Doch sie war nicht die Einzige, der das Mädchen aufgefallen war. Nun, da Rigunth neben dem Eimer verweilte, kamen zwei Männer auf sie zugeschritten. Es konnten keine Knechte sein, denn sie trugen Gürtel und Schwerter daran. Doch zugleich war ihr Lederwanst so schleißig, dass sie unmöglich zu den Antrustionen zählen konnten. Vielleicht waren es Gefolgsleute eines hochherrschaftlichen Gastes, der sich eben in Paris aufhielt, und langweilten sich unendlich, bis endlich zum Aufbruch gerufen wurde.
    Das kleine, zähe, weiße Mädchen schien ihnen Lust zu machen, sich an seinem Elend den Tag zu vertreiben. Bathildis konnte nicht hören, was sie zu Rigunth sagten, jedoch erahnen, dass es spöttische Worte sein mussten, denn plötzlich schnellte der Fuß des einen Mannes vor und stieß den schweren Eimer um.
    Wie erbarmungslos und bösartig er ist, dachte Bathildis, undzugleich erschien ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen. Jetzt siehst du’s, Mädchen. So leicht ist es eben doch nicht durchzuhalten. Das Leben ist hart und grausam.
    Sie erwartete, dass Rigunth den Kopf einziehen, sich nach dem Eimer bücken würde, vielleicht sogar Tränen vergießen.
    Doch das Mädchen tat nichts dergleichen. Es hob den Kopf so weit, dass selbst Bathildis von ihrem erhöhten Beobachtungsposten aus in ihre Augen sehen konnte, die dunkel waren wie die Nacht und nicht minder tief wie deren klarer Himmel. Sie öffnete den Mund, sagte etwas zu dem Mann.
    Dummes Mädchen!, ging Bathildis durch den Kopf; sie lächelte nicht länger, sondern biss sich auf die Lippen bis es schmerzte. Was lehnst du dich auf? Denkst du, man lässt dann von dir ab?
    Trotz ihrer Gedanken schrie sie entsetzt auf, als der Mann auf das kleine Mädchen losging, seine Pranke hochriss und ihm damit ins Gesicht schlug, dass es über den Eimer stolperte und, alsbald von der Wucht des Schlags gefällt, über den dreckigen Boden rollte.
    Der Laut, der da aus Bathildis’ Mund glitt, überraschte sie selbst. Nie hatte sie gedacht, dass sie die Stimme noch einmal derart erheben würde.
    »Halt!«, schrie sie nun. »Halt! Aufhören!«
    Niemand hörte sie. Unten im Hof hob der Mann den Fuß, um nun auf die liegende Rigunth einzutreten.
    Ein Ruck ging durch Bathildis’ Körper, noch ehe sie entschied, tatsächlich einzugreifen. Sie lief hinaus auf den Gang, hastete ein paar Schritte hin und her, nicht gewiss, wie sie überhaupt in den Hof gelangen konnte.
    »Halt! Halt! Sie sollen das Kind in Ruhe lassen!«, gellte sie. Sie sorgte für Aufruhr unter den Frauen, die ansonsten gelangweilt in und um die Frauengemächer lungerten, wissend, dass sie der Königin verpflichtet waren, und zugleich, dass jene doch nie eine Regung zeigte.
    Manch Blick weitete sich derart überrascht, als habe Bathildis den Verstand verloren.
    »Es soll aufhören!«, rief sie. »Es soll aufhören!«
    Nur eine Frau wagte, auf sie zuzutreten und sie beruhigend am Arm zu packen. Die plappernde Gertrude, Erchinoalds Tochter, hatte keine Scheu vor ihr.
    »Meine Königin, beruhige dich! Was ist geschehen?«
    Unter ihrem zupackenden, festen Griff versteifte sich Bathildis. Unwirsch versuchte sie sich loszureißen. Schwer genug war es zu ertragen, dass Chlodwig sie berühren durfte. Kein anderer sollte es wagen.
    »Lass mich sofort los«, knurrte sie.
    Gertrude starrte verständnislos, wiewohl sie den Befehl sogleich befolgte, die Augen niederschlug und zurücktrat.
    Bathildis versuchte, den heftigen Atem zu bremsen, langsamer und klarer zu sprechen. »Dort unten im Hof... schlägt ein Mann ein kleines Sklavenkind. Mach, dass es aufhört!«
    Sie wartete nicht darauf, dass sich in Gertrudes Gesicht Verständnis abzeichnete, ging mit steifen Schritten zurück in ihr Zimmer, um hier freilich nicht länger hinauszustarren, sondern sich ins Bett zu verkriechen. Sie fühlte sich unendlich erschöpft; sämtliches Blut schien schmerzhaft durch ihre Glieder zu peitschen, der Hals deuchte sie wund ob des ungewohnten Gebrauchs der Stimme.
    Nach einer Weile fuhr sie unruhig wieder auf, ohne den Frieden gefunden zu haben, den ihr sonst das ruhige Liegen schenkte. Sie roch den Schweiß, der plötzlich auf dem Körper klebte, und beschloss, sich nicht nur die Hände zu waschen, sondern auch ein Bad zu nehmen.
    Zwei Tage später klopfte es an ihrem Gemach.
    Eben war Gertrude bei ihr, damit beschäftigt, die Königin anzukleiden und zu schmücken, so

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