Die Regentin (German Edition)
nicht einfach bei der Geburt gestorben war, um solcherart von ihrem Los erlöst zu sein.
Doch so wenig wie sie beim Gebären geschrien hatte, sprach sie diesen Kummer aus. Sie weinte auch nicht – zumindest nicht in Gegenwart von anderen Menschen. Und auch unbeobachtet war es nur ein einziges Mal geschehen, dass ihre Augen Tränen gespuckt hatten und ihre Schultern unter dem Schmerz erzittert waren...
Gerne hätte sie sich die Erinnerung erspart, doch Faras Besuch und ihre hartnäckigen Worte hatten ihr lahmes Gemüt so weit geweckt, dass es nicht länger im Dämmerschlaf verharren wollte. Rastlos schritt Bathildis auf und ab, blieb beim Fenster stehen, starrte hinaus, lief wieder davon fort, lief getrieben und zugleich ziellos vor den spärlichen Erinnerungen davon, die die letzten Jahre in ihrem Gedächtnis eingeschrieben hatten.
»Warum... warum bleibst du den ganzen Tag in dem Gemach?«
Nicht nur Fara verstand das nicht. Auch Gertrude hatte gefragt – damals, noch am Anfang ihrer Ehe mit Chlodwig. »Du kannst doch nicht den ganzen Tag auf den Hof starren!«
»Warum nicht?«, hatte Bathildis kühl zurückgegeben. »Willst du es mir verbieten? Nun, der König gestattet mir, zurückgezogen zu leben. Und wen sonst sollte es stören? Erchinoald, Ebroin?«
Erchinoald hatte seit Leutsindas Tod nicht wieder geheiratet. Vielleicht weil die Eheschließung mit einem liebreizenden Mädchen stets nur Drohung gegen sie gewesen war, nie ernsthafter Wunsch. Vielleicht auch, weil er wenig später zu kränkeln begann. Nicht von grässlichen Schmerzen und Blutstürzen wurde er gequält wie Leutsinda, jedoch beugte zunehmende Schwäche seinen Rücken. Er schien nicht viel Lust auf das Leben zu haben, gleichso, als wäre ihm dessen Kraft nur aus Leutsindas Zänkereien zugeflossen, nicht aber aus deren ewigem Stillschweigen.
Und Ebroin. Noch weniger zählte Ebroin. Am Anfang hatte er sich nicht damit abfinden wollen, dass er sich in Bathildis getäuscht hatte. Er zeigte wenig Verständnis für ihren Wunsch, sich zurückzuziehen und zu schweigen – stöberte stattdessen nach Machtwillen und Tatkraft, wovon er beides besaß und was er doch auch an ihr vermutet hatte. Oft war er gekommen, sie aus dem Trübsinn zu reißen, doch sie hatte ihm weder zugehört noch ihn angeschaut, und schließlich hatte er es ratlos aufgegeben, enttäuscht, weil sie ihm keine rechte Bündnispartnerinwurde, und irgendwie doch zufrieden: Eine schweigende Königin war immerhin keine Bedrohung.
Und Chlodwig... Chlodwig hatte ihr nach jener schrecklichen Nacht nicht wieder in die Augen blicken können. Er rief sie manches Mal zu sich, um bei ihr zu liegen... schweigend, irgendwie lustlos. Mehr verlangte er nicht. Sie hatte anfangs stets darauf gewartet, dass er sie verstoßen würde, doch dann hatte sie die beiden Söhne geboren, gesunde und kräftige Thronfolger.
Nein, niemand von ihnen verbat ihr, sich zurückzuziehen. Auch Gertrude seufzte schließlich und gab es auf, sie herauslocken zu wollen.
Eine freilich gab’s, die – ähnlich wie heute Fara – ihren dumpfen Frieden, dessen schwarze Stille stets einer Totenwache glich, zu stören wusste – zumindest einige wenige Tage lang.
Itta war es, die drei Jahre nach ihrer Hochzeit mit Chlodwig zu ihr geschlichen kam, sich triumphierend vor ihr aufbaute. Seitdem sie die Königin mit dem zu kleinen Schuh hatte beschämen wollen, hatte sie deren Nähe gemieden, obgleich Bathildis sie nie dafür zur Verantwortung gezogen hatte.
Nun war es Itta freilich anzusehen, dass sie noch eine Rechnung mit Bathildis offen und ihr nicht verziehen hatte, des Königs Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben, und dass sie dieses Vergehen mit ihrem kleinen Streich nicht ausreichend gesühnt wähnte.
»Ich werde Neustrien bald verlassen«, erklärte sie stolz. »Ich werde heiraten!«
Bathildis zuckte die Schultern. Das Geschick der anderen war ihr gleichgültig.
Itta grinste, wartete einen Augenblick und holte dann zum vernichtenden Schlag aus. »Mein Vater hat erreicht, dass ich einen Gatten von höchstem Rang erhalte!«, rief sie. »Niemand geringerer ist’s als der König... von Kent!«
Bathildis hatte sie angestarrt, als würde sie nicht begreifen.
»Ja, so ist’s!«, bekräftigte Itta. »So werde ich jenes Meer überqueren,über das du einst gekommen bist, und auf jener Insel, welche Britannia heißt, leben, die deine Heimat war.«
Sie schien zu ahnen, dass sie nicht mehr sagen musste, um Bathildis den
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