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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wie sie es an jedem Morgen tat. Bathildis ließ es über sich ergehen, als gingen sie dieKostbarkeiten nichts an, weder das mit Gold und Steinen geschmückte Stirnband noch das doppelte Collier mit Hängekreuz oder die Brustkette. Niemals pflichtete sie Gertrude bei, wenn diese wortreich davon zu plappern begann, dass es nichts Schöneres für ein Weib gebe, als sich zu schmücken. Die verstohlenen Blicke freilich, die sie dann und wann auf ihre Gestalt hinabwarf, zeigten, dass sie nicht gänzlich davon unberührt war, dass sie die feinen Gewänder mochte, die vor allem eines zu sein hatten: sauber.
    Jetzt unterbrach Gertrude ihr Werk und drehte sich zu der Eintretenden um, wohingegen Bathildis dieser noch den Rücken zuwendete.
    »Was willst du?«, fragte Gertrude, mehr überrascht als streng. »Wer hat dir erlaubt hierherzukommen?«
    Wer immer im Gemach erschienen war, schien Gertrude die notwendige Antwort mit Gesten zu geben, denn jene stellte keine neue Frage, sondern sagte zu Bathildis: »Mir scheint, du hast einen Gast.«
    Sprach’s und ging.
    Widerwillig drehte sich Bathildis um. Niemand anderen erblickte sie als das kleine, dunkle Mädchen, das sie vor der Willkür der Männer errettet hatte.
    Rigunth stand starr; kaum hob sich ihre Brust zum Zeichen, dass sie atmete. Wiewohl sie Bathildis im Hof durch flinke Bewegungen aufgefallen war, schien sie hier in Stein gehauen. Verspätet erst fiel ihr das richtige Benehmen ein. Vorsichtig, als würde jede abrupte Bewegung Sprünge in ihre Haut treiben, kniete sie sich hin. Den Kopf jedoch beugte sie nicht. Undurchdringlich blickte sie auf Bathildis, indessen sie ein paar undeutliche Worte des Dankes murmelte.
    Bathildis fühlte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte – und schalt sich selbst dafür. Der Blick des Mädchens war nicht neugierig; es stand auch keine Respektlosigkeit darin zu lesen, nur Verehrung für die Königin, und dennoch fühlte sie sich von diesenkugelrunden Augen ertappt, die so schwarz waren wie verlöschende Kohle, wenngleich nicht ebenso warm.
    Ihre erste Regung war, das Mädchen fortzuschicken. Doch sie überlegte es sich anders.
    »Wer bist du?«, fragte sie barsch.
    Wieder regte sich das Mädchen lange nicht, sodass Bathildis meinte, es hätte es mit der Angst zu tun bekommen. Doch als es schließlich antwortete, klang seine Stimme nicht zitternd, sondern einfach nur gelassen.
    »Rigunth... Ich heiße Rigunth.«
    »Das ist mir bekannt. Ich habe gehört, wie man nach dir rief«, fuhr Bathildis sie an, noch barscher als vorhin. Woher nahm das Mädchen diese unaufdringliche, lautlose Festigkeit, hierherzukommen und vor ihr zu stehen?
    »Ich will wissen, woher du kommst. Waren deine Eltern auch... Unfreie?«
    »Nein... nein, das waren sie nicht.«
    »Wurdest du von ihnen getrennt? Oder sind sie tot?«
    »Ich... ich weiß es nicht genau.«
    »Irgendeine Vergangenheit musst du doch haben. Bist du von fernen Ländern hierher verschleppt worden? Oder bist du hier geboren?«
    »Ich kann es nicht sagen.«
    »Kannst du nicht, oder willst du nicht?«
    »Ich... ich weiß nicht.«
    Die dunklen Augen starrten sie an. Unwillkürlich trat Bathildis näher, erwiderte den Blick – und vermeinte in ihm zu versinken. Sie wusste nicht, ob sie in die Tiefe von Rigunths Seele schaute – oder in das Spiegelbild ihrer eigenen. In jedem Falle streifte sie der Hauch von Ahnung, sie stünde ihresgleichen gegenüber. Einem Menschenkind, das Furchtbares erlitten hatte – so Furchtbares, dass es nicht darüber sprechen konnte, zumindest nicht in menschlichen Worten, nur mit diesem traurigen Blick. Bathildis beugte sich ganz dicht zu diesen Augen herabund las in ihnen ihre eigene Geschichte. Las von namenloser Furcht. Von Ohnmacht. Von nie erfüllter Sehnsucht.
    Von all dem hatte sie sich davonstehlen wollen, doch nun deuchte es sie, als wäre es ihr gefolgt, lautlos und sanft, in der Gestalt eines Kindes, das kaum mehr wiegen konnte als eine Feder und das doch sämtliche Aufmerksamkeit bannte. Bathildis richtete sich wieder auf – und hörte zu ihrem eigenen Entsetzen ein lautes Schluchzen aus ihrer Kehle steigen.
    »Sei still!«, schrie sie gellend. »Sei sofort still!«
    »Aber ich habe doch nichts gesagt...«, wandte Rigunth ein. Ihre Stimme war rau und weich zugleich.
    Bathildis versuchte sich zu räuspern, doch stattdessen erklang erneut der schluchzende Laut, kurz und leise, der Bote eines viel tiefer sitzenden Geheules, wie ein Tropfen, der noch nicht

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