Die Regentin (German Edition)
sich ging – und übermächtig stieg in ihr ein Würgen auf, nicht nur ob des Geruchs nach Angst und nach Schweiß, sondern vor allem ob der nackten, schmutzigen und verhornten Füße, die sie da sah, ob der rauen, schwieligen Hände. Sie neigte sich vor, hustete, vermeinte, sieh übergeben zu müssen. Stattdessen hörte sie sich rufen, mit unglaublicher Wut und unglaublicher Kraft: »Was in Gottes Namen geht hier vor?«
Sie übertönte sie alle – das Mädchen, das auf den Jüngling gebunden kaum noch wimmern konnte; den Mönch, der ratlos auf die schaufelnden Männer einredete, die Frau des Dux, die ihr zu erklären versuchte, dass der Verwalter des Gutes hier am Werke war und es wohl seine Richtigkeit habe mit dem, was er tat...
Jener Mann ließ endlich von dem jungen Paar ab, wenngleich er es nicht vom Baumstamm losband, und schritt auf Bathildis zu. Offenbar wusste er nicht, wen er vor sich hatte, denn er starrte ihr ganz offen ins Gesicht und wischte sich mit seinem Handrücken den Schweiß von seiner Stirne.
»Sklavenpack«, murmelte er, »nichts als aufrührerisches Sklavenpack. Das Mädchen gehört uns. Er hingegen unserem Nachbarn.Sie wollten einander die Ehe versprechen, und weil weder ich es erlaubt habe noch sein Herr, so ist er geflohen. Nun, wenn die beiden unbedingt zusammenbleiben wollen, dann werde ich sie eben gemeinsam begraben.«
Sprach’s und drehte ihnen wieder den Rücken zu, um mit seinem Werk fortzufahren. Diesmal schrie das Mädchen nicht mehr. Es barg das Gesicht an der Brust des Jünglings.
Mit kummervollem Gesicht kam der Mönch zu Bathildis geschlichen, den Kopf so tief gesenkt, dass das Kinn beinahe die Brust berührte.
»Was ein Herr mit seinem Sklaven tut«, begann er mit zittrighoher Stimme zu reden, »geht mich nichts an. Doch die beiden haben Asyl in der Kirche gesucht, und das darf ihnen nicht verwehrt werden. Jener aber...«, er deutete auf den Verwalter, »hat sie mit unlauteren Mitteln herausgelockt, was bedeutet, dass Gottes Heiliges Haus verunreinigt wurde. Das kann ich nicht dulden!«
Seine zeternde Stimme ward auch vom Verwalter gehört, der das Sklavenpärchen gerade fester binden wollte, dem Gottesmann aber denn doch nicht erlaubte, nur seine Version der Geschichte zu erzählen.
»Ich habe mich nicht gegen das göttliche Gebot gestellt!«, rief er ihnen zu, und es klang auch ein wenig stolz. »Die Kirche ist heiliger Boden und deswegen Asyl für jeden, der Schutz sucht. Man darf keine Gewalt anwenden – und das habe ich auch nicht getan.... Die beiden sind freiwillig herausgekommen!«
»Weil du mich belogen hast!«, rief der Mönch, und seine zittrige Stimme wurde erstmals fest. »Weil du dich hingekniet, die Hände auf den Altar gelegt und mir geschworen hast, dass du ihnen nichts Böses antun wirst!«
Der Verwalter lachte verächtlich und spuckte vor sich auf den Boden. »Nein, du irrst... das habe ich nicht geschworen... Ich habe nur gesagt – hör gut auf meine Worte! –, ich habe also gesagt: Niemals sollen die beiden durch mich getrennt werden,sondern ich will vielmehr dafür sorgen, dass sie verbunden bleiben. Was ist daran gelogen? Ich trenne sie nicht – ich binde sie vielmehr aneinander; und solange sie leben, werden sie auch nicht wieder auseinandergehen.«
Der Mönch blickte verlegen auf Bathildis, rang die Hände, zum Zeichen, dass er guten Willens war, etwas zu tun, dass er aber keine Macht besaß... Gewiss war dem Verwalter vorzuwerfen, dass er eine rohe Seele hatte, aber doch nur schwer an der Beschuldigung festzuhalten, er habe Gottes Haus verunreinigt. Und lebendig begraben zu werden war zwar ein grausamer Tod, jedoch eine gerechte Strafe für Auflehnung und Ungehorsam.
Er widersprach sodenn kein weiteres Mal, sondern trat stattdessen zu dem gebundenen Pärchen, um es vor seinem schrecklichen Ende zwar nicht zu bewahren, aber es doch mit einem Segen dafür zu rüsten.
Bathildis beobachtete ihn erstarrt. Ihr Würgen hatte nachgelassen, und als sie den Mund ein zweites Mal öffnete, schrie sie auch nicht mehr. Ihre Stimme war beinahe lautlos.
»Bindet sie los!«
Der Verwalter reagierte nicht; er hatte sie offenbar nicht gehört. Erst als die kugelige Avita zu ihm lief, hob er den Kopf. Anfänglich grinste er noch, weil er sich als Herr der Lage wähnte. Doch als sie noch mehr Worte sprach und ihm offenbar erklärte, dass jene Dame in ihrer Gesellschaft keine Geringere als die Königin sei, erbleichte er. Er fuhr herum, und in diesem
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