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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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kurzen Augenblick, da er Bathildis entgeistert anstarrte, fühlte sie das ganze Ausmaß ihrer Macht.
    Sie musste nicht zuschauen und das Unerträgliche dulden. Sie musste nicht händeringend wie der Priester danebenstehen. Ein Wort von ihr, und ganz Neustrien musste sich fügen. Sie hatte Rigunth retten können. Sie konnte diese beiden retten.
    Ihr Ekel schwand; sie trat auf das Sklavenpärchen zu, und dessen zerfetzte Kleidung und zerschorfte Haut erinnerte sienicht länger an die elenden Zeiten, die hinter ihr lagen... an die Jahre unter Leutsindas Herrschaft... an den Sklavenmarkt von Quentovic.
    »Bindet sie los!«, wiederholte sie – erneut nur flüsternd – ihren Befehl.
    Nach seinem anfänglichen Erstaunen und Widerwillen fügte sich der Verwalter nun sehr schnell. Rasch befreite er die beiden von ihren Fesseln, wiewohl er dabei nicht minder roh vorging als vorhin. Anstatt ihnen aufzuhelfen, drehte er den ausgehöhlten Baumstumpf, sodass sie unsanft auf die Erde rollten. Sie hatten sich noch nicht wieder aufrichten können, als Bathildis zu ihnen trat und fragte: »Eure Namen. Sagt mir, wie ihr heißt.«
    Der Jüngling wagte sie nicht anzublicken; spärlich war der Wuchs seines Bartes, mehr Flaum als echte Borsten. Das Mädchen hingegen schenkte ihr einen vorsichtigen Blick; die Augen über den spitzen Wangenknochen waren wässrig.
    »Moschia«, sagte sie, »ich bin Moschia... und das ist Taurin.«
    »Moschia und Taurin«, wiederholte Bathildis die beiden Namen. Sie schienen nicht alt zu sein, fünfzehn, höchstens sechzehn. So alt wie Aidan und sie... damals.
    »Seid ihr als Unfreie geboren worden, oder wurdet ihr erst später versklavt?«, fragte sie leise.
    Sie missachtete die Blicke, die sich in ihren Rücken bohrten, auch das Getuschel, das zwischen der Frau des Dux und dem Verwalter entbrannte.
    Wieder antwortete das Mädchen, mit schlichten Worten und einfachen Sätzen.
    Taurin war nicht von Anfang an ein Sklave gewesen, aber sein Bruder hatte im Streit einen Mann erschlagen, und weil die Familie das Wergeid nicht hatte aufbringen können, wurde Taurin für zehn Jahre verkauft, um solcherart die Geldsumme abzuarbeiten. Von diesen zehn Jahren wären erst zwei vorüber.
    Sie selbst hingegen entstamme einer kinderreichen Familie. In einem kargen Winter, da kaum etwas für die Großen übrig blieb, habe der Vater sie schon töten wollen, so wie es Sitte war in Zeiten der Hungersnot. Die Mutter habe es jedoch nicht übers Herz gebracht, sondern sie hierher gebracht und an dieses Gut verkauft.
    Bathildis hörte ihnen stumm zu, nickte und drehte sich um. Die Sonne brannte noch greller als vorhin, und es schwindelte sie ein wenig. Avita hastete zu ihr.
    »Meine Königin, es tut mir leid, dass du dies hier sehen musstest, nun aber...«
    Bathildis stieß ihre Hand fort. Verächtlich streifte ihr Blick den Mönch, dessen größte Sorge der Reinheit des Gotteshauses gegolten hatte, nicht dem Leben der beiden Sklaven. Dann trat sie vor den Verwalter, der verlegen seine Fäuste aneinanderrieb. Wieder verzichtete sie aufs Schreien, sondern sprach so leise, dass er den Atem anhalten musste, um sie zu verstehen. Dass das leise Sprechen genügte, war tröstend – und berauschend.
    »Du gibst ihnen zu essen und zu trinken, und du gibst ihnen Kleidung«, flüsterte sie und sah ihn nicht einmal an. »Ihre beiden Herren werden sich freuen, sie mir als Geschenk übergeben zu können. Wenn du ihnen bis dahin ein Härchen krümmst, dann landest du in dem Loch, das du für sie hast ausscharren lassen. Und nicht minder qualvoll wirst du sterben, wenn du jemals wieder Gleiches versuchst wie heute.«
    Sie wartete weder seine Antwort ab noch die Avitas, achtete auch nicht länger auf Moschia und Taurin, sondern drehte sich hoheitsvoll um und ging wortlos zurück zur Villa.
    »Was hast du dir dabei gedacht, Weib, so etwas zu tun? Was?«
    Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit lag Chlodwig nicht bei Tische, sondern schritt auf und ab, gemächlich zwar, wie’s ihm sein dicklicher Leib diktierte, jedoch mit solch heftigemKopfschütteln, dass sein dünnes Haupthaar in Wellen über den Rücken wogte.
    Der Ausdruck seines Gesichts war zerrissen zwischen Erstaunen und Misstrauen.
    Rasch hatte die Runde gemacht, dass sich die Königin bei der Hütte der Sklaven herumgetrieben hatte, dass sie sich nicht zu schade gewesen war, mit den Unfreien selbst zu sprechen und dass sie zwei von ihnen, die sich vor allem durch Ungehorsam hervorgetan

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