Die Regentin (German Edition)
greifen, es auf seine Liege zu ziehen und entschlossen und besitzergreifend über ihr bleiches Gesicht zu streicheln – und tiefer.
Rigunth ließ es schweigend über sich ergehen und musterte ihn nur mit ihren dunklen Augen.
Bathildis aber vermeinte, auf ihrer eigenen nackten Haut seine suchenden Finger zu fühlen, lang und dünn... und heiß.
»Lass das, Ebroin!«, schrie sie auf.
Mit bedauerndem Lächeln entließ er Rigunth aus seinem Griff und beugte sich nach vorne, um näher bei der Königin zu sein.
»Weißt du, Bathildis«, setzte er an, »ich habe mich oft gefragt:Was wäre geschehen, wenn ich dich begehrt hätte und nicht der König?«
Rigunth hob beschwichtigend die Hände, um anzudeuten, dass sie Ebroin die unsittliche Berührung nicht übel nahm und dass es besser war zu schweigen. Tatsächlich gelang es Bathildis, den Mund zu halten, wenngleich sie die Zähne aufeinanderrieb.
»Alle Welt weiß, dass Erchinoald dich auch gewollt hat«, fuhr Ebroin da schon fort. »Aber offenbar war er nicht Manns genug, dich mit Gewalt zu nehmen. Hätte er mich um Rat gefragt – ich glaube, dann hätte ich ihm solches empfohlen.«
Diesmal vermochte sie nicht, still zu bleiben.
»Jedes weitere Wort wird dir leid tun... sobald der König zurückkommt.«
»Der König hat seine ersten Schritte gemeinsam mit mir gemacht«, entgegnete Ebroin vermeintlich gelassen. »Ich saß neben ihm, als er die ersten Buchstaben malte; ich begleitete ihn zu Pferde, als er das erste Wild erlegte. Ich stand ihm zur Seite, als er zuerst den Vater verlor und dann die Mutter.«
Mühsam zügelte Bathildis ihren Groll, auf dass sie ihn wirksamer treffen könnte.
»Allein ans diesem Grund vergebe ich dir die unverschämten Worte, die du eben gesprochen hast.« Sie nutzte den anzüglichen Blick, den er ihr zuwarf und der sie kränken sollte, um es ihm heimzuzahlen. »Ich weiß«, fuhr sie fort, und ihre Stimme klang nicht schrill, sondern leise raunend. »Ich weiß schließlich: Was dich antreibt, ist die Verbitterung – du hast mit dem König die Jugend geteilt, aber ich teile heute mit ihm das Bett.«
Einen Augenblick lang schien er nicht zu wissen, was sie ihm damit sagen wollte. Sein Lächeln glättete sich, wohingegen sich seine bleiche Stirne ein wenig runzelte.
Sie genoss die Ahnung eines kurzen Sieges. Wiewohl sie hörte, wie hinter ihr Gertrude mit den anderen Mädchen zu tuscheln begann, neigte sie sich plötzlich vor, löste die Spange ihres Umhangsund streifte die Tunika ein wenig zurück, sodass die Ansätze ihrer Brüste sichtbar wurden.
»Soll ich dir bei Gelegenheit verraten, Ebroin, wie ich des Königs Lust entfache?«, flüsterte sie heiser. »Soll ich dir verraten, auf welche Weise ich viel, viel mehr Macht über ihn gewinne, als du jemals hattest?«
Er errötete. So viel Farbe hatte seine weiße Haut noch nie gekannt. Selbst die blassen Augen verdunkelten sich, zerrissen von der Gier, sie mit den Blicken aufzufressen, und dem Wunsch, sie gewaltsam zu töten.
Sie wollte auflachen über seine Demütigung, doch jener Laut schien sich zu verselbständigen, ihr in den Kopf zu steigen wie ein zu großer Schluck von heißem, süßem Wein.
Plötzlich wusste sie, was sie an ihm am meisten hasste – dass er als Einziger jene heftigen, lebendigen, starken Gefühle in ihr nähren konnte, die sie zuletzt gekannt hatte, als ihr Leben noch nicht unter dem Schleier der Schwermut versunken war. Selbst ihr Kampf um eine bessere Welt, um das Los der Unfreien und Kriegsgefangenen, hatte nie ähnlich durchdringende Laute gezeugt, nur anfangs ähnlichen Eifer und ähnliche Kraft. Später hatte sie sich auf ihren Reisen Abend für Abend müde und ausgelaugt gefühlt – nun aber war sie so frisch, als hätte sie Antrieb für mehrere schlaflosen Nächte.
Die Röte überzog nun auch ihr Gesicht, gefolgt von einem hartnäckigen Pulsieren. Rasch sprach sie weiter, um sich wieder zur Besinnung zu bringen.
»Ich habe sie nicht gewollt – aber ich besitze sie: die Macht über den König. Und wenn ich es will, dann zertritt er dich wie Gewürm unter seinen Füßen.«
»Du drohst mir?«, entgegnete Ebroin. Er klang so heiser wie sie. »Du willst mir wahrhaft drohen? ... Weiß Gott, wenn ich es wollte, ich hätte keine Skrupel, jedoch genügend helfende Hände, dich aus dem Weg zu schaffen!«
»Ha! So gibst du’s zu, dass du mich würdest töten lassen?«
Rigunth stieß sie vorsichtig in die Seite. »Nicht«, murmelte sie,
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