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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Zumindest musste sie solcherart nicht in eine bedrohliche Tiefe starren, sondern einfach nur in gnädige Schwärze, die bodenlos war.
    Noch freilich war der Griff um ihre Glieder fest, noch lockerte er sich nicht, um sie fallen zu lassen. Sie merkte, wie ihr der Atem knapp wurde, kämpfte zuerst stöhnend um frische Luft und lud dann doch die Ohnmacht ein, sie gnädig zu umfangen. Das Blut rauschte anfangs laut in den Ohren, dann schien es zu verebben, nur mehr ein Plätschern zu sein, sanft und weich ... und nicht länger furchterregend.
    Die Schwärze vor ihren Augen – zunächst noch ein dunkler Balken – wurde zu einem tiefen Schlund. Ein letztes Mal stöhnte sie, um sich dann ganz darein fallen zu lassen.
    Doch mitten in den Sog, der sich vor ihr auftat, schnitt ein störender Ruf, zuerst von weither kommend, dann immer näher; er kündete von Entsetzen, Furcht und Sorge.
    Gleichwohl sie eben noch versucht hatte, sämtliche Sinne abzugeben, versuchte Bathildis nun, einzelne Worte herauszuhören, strampelte wieder – und diesmal gab die Eisenfaust, die sich um ihre Glieder geschlossen hatte, nach. Sie wusste kaum, wie ihr geschah, da wurde sie vom Abgrund weggezogen und polterte von den breiten Schultern eines ihrer Angreifer, fiel schmerzhaft auf den Rücken und blieb ächzend liegend. Kurz nahm sie nichts weiter wahr, als die Erschütterung der Erde, indessen die riesigen Männer hastig von dannen liefen. Weiterhin ächzend mühte sie sich ab, sich auf die Seite zu drehen, sich aufzustützen, aufzustehen. Sie fühlte sich wie ein altes Weiblein, zerschunden und auch ärgerlich: Warum half ihr denn niemand? Warum reichten ihr jene, die mit ihrem Lärm und Rufen das gemeine Attentat beendet hatten, nicht die Hand?
    Erst als es ihr schließlich gelungen war, sich aufzurichten, gewahrte sie, dass sie ganz alleine hier stand, die Stimmen aber immer noch tönten. So hatten sie denn also nicht ihr und dennächtlichen Angreifern gegolten. Jene hatten sich davon zwar stören lassen, waren aber danach unerkannt geflohen.
    Bathildis ging stöhnend, jeder Schritt tat ihr weh, und dennoch beschleunigte sie sie, denn wenn sie nicht die Ursache für diese Aufregung war, so musste es einen anderen Grund dafür geben, dass sie mitten in der Nacht geschürt wurde. Die panischen Laute verhießen nichts Gutes.
    Sie hinkte in Richtung des Lärms und auch in Richtung der Fackeln. Mehr und mehr wurden entzündet; mehr und mehr Leute liefen vor das Tor des Palastes. Sie folgte ihnen, und jetzt erkannte sie auch vertraute Gesichter, das von Gertrude und das von Rigunth. Beide starrten sie entsetzt an. Zuerst dachte sie, dass sie ihr das Schreckliche ansahen, das ihr eben widerfahren war, dass sie die Spuren wahrnahmen, die der ungleiche Kampf hinterlassen hatte – rote Flecken in ihrem Gesicht und wirres Haar, das sich unter der Haube gelöst hatte.
    Doch anstatt danach zu fragen, stützten die beiden Frauen sie rechts und links und führten sie dorthin, wo am lautesten gerufen wurde. Bathildis begriff, was geschehen war und was sie davor bewahrt hatte, über die Mauer gestürzt zu werden, und ihrer Kehle entrang sich ein heiserer Schreckensschrei.

XXVI. Kapitel
    Als sie in Chlodwigs Gesicht sah, nur in sein Gesicht, gar nicht auf den verletzten Leib, da stahl sich ein Wort in ihre Gedanken, so unausweichlich wie endgültig, so grausam wie hoffnungslos.
    Tot.
    Sie musste nicht erst auf die vielen Stimmen hören, die im Hof durcheinanderriefen, manch eine raunend, manch eine noch aufgeregt von jenem schrecklichen Unfall im Wald von Clichy. Bathildis hörte nicht genau zu; erst viel später vermochte sie sich aus den Wortfetzen zusammenzureimen, was geschehen war.
    Von einem Eber war die Rede, wild und gefährlich. Vom König, der ihn zu treffen suchte. Von seinem Pferd, das strauchelte und ihn abwarf. Vor dem Eber hatte man ihn bewahren können; alsbald war er erlegt, ehe er seine schrecklich spitzen Hauer in des Königs Leib hatte bohren können. Doch der König fiel unglücklich auf einen Ast, der spitz vom Boden wegstand und ihn durchbohrte wie eine Lanze. Man hatte ihn herausgezogen, doch das Blut war nicht gestockt, sondern troff aus der Mitte seines Leibes.
    Tot, dachte Bathildis, wiewohl Chlodwig bei Bewusstsein war, sich auf dem fahlen Gesicht sogar ein Lächeln abzeichnete, als er sie sah – er ist so gut wie tot.
    Ein kalter Hauch schien über der Liege zu wehen, auf derman ihn brachte – nichts weiter als zwei stramme

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