Die Regentin (German Edition)
»nicht...«
Aber Bathildis war zu sehr in Rage, um auf sie zu achten. »Ich schwör’s dir, Ebroin – der König wird erfahren, dass du mir drohst!«
Seine Augen wurden schmal. »Und wenn es zu spät ist?«, raunte er.
Sie fuhr hoch. »Du wagst es...«
»Sei unbesorgt«, fiel er ihr kühl ins Wort. »Um dein Leben musst du gewiss nicht fürchten. Ich wüsste schon, wie ich dich wahrhaft schmerzlich treffen könnte!«
Sie konnte nicht mehr ruhig liegen bleiben. Sie sprang auf, stürzte zu ihm, starrte auf ihn hinab.
»Was meinst du damit?«, schrie sie.
Das Flüstern hinter ihr wurde immer besorgter. Ebroin hingegen lehnte sich ruhig zurück.
»Was ich damit meine? Nun, meine Königin, was ist dir mehr wert als dein eigenes Wohlbefinden?«
Jetzt griff er selbst zur Weinamphore, um seinen Kelch zu füllen. Er hob ihn herausfordernd, dann begann er zu trinken, nicht gemächlich, sondern in gierigen, hastigen Schlucken.
Bathildis sah ihm nicht mehr zu. All ihr Ärger verknäulte sich zu Furcht. Sie drehte sich um und stürzte hinaus.
»Fara!«
Sie lief die Treppe hoch, den Gang entlang, eilte zum Gemach der Söhne, stets den Namen jener Frau auf den Lippen, die über deren Wohl wachte.
»Fara! Fara!«
Die Unruhe nahm beim Laufen zu. Es deuchte sie, ein Unheil stünde knapp bevor und könne nur noch durch höchste Eile verhindert werden. Doch Fara, aus dem Schlaf gerissen, blickte verstört in ihre aufgeregten Züge.
»Meine Königin! Was ist geschehen?«
»Das frage ich dich! Geht es meinen Söhnen gut?«
Fara nickte. »Sie schlafen ... alle drei...«
Der Umstand schien ihr alltäglich. Bathildis hingegen vermeinte, die Beine müssten ihr einknicken ob der Erleichterung, die sie durchfloss – und ein wenig auch ob der Scham, die rasch folgte, nun, da sie wusste, dass niemand ihre Kinder bedrohte. Rasch trat sie ins das verdunkelte Gemach, sah kurz in jene Betten, in denen Chlothar und Childerich schliefen – der eine steif und ausgestreckt, der zweite gewunden wie ein Kätzchen – und tadelte sich selbst ob mangelnder Beherrschung.
Schon als sie Theuderichs Kinderstube erreichte – die Amme, die Fara ausgewählt hatte –, schlief an seiner Seite –, so reute es sie tief, dass sie Ebroin gestattet hatte, ihr derart zuzusetzen. Sie war auf ihn hereingefallen, ohne dass er mehr in die Waagschale werfen musste als ein paar böse Worte.
Kurz roch sie am süßlichen Köpfchen des Jüngsten, genoss es, ihn ruhig atmen zu hören, und schlich auf Zehenspitzen hinaus.
Rigunth war ihr gefolgt und wartete auf sie.
»Meine Königin«, fragte sie verwirrt, »meine Königin, warum streitest du mit ihm? Warum forderst du ihn so heraus? Er hat dir doch nichts getan! Er steht doch viel treuer zum König als alle anderen, die ihm dienen!«
Unwirsch hob Bathildis die Hand, verärgert, dass Rigunth sich auf seine Seite stellte. »Er hat dich so schändlich angefasst – und du verteidigst ihn?«
»Er hat sich nicht gut benommen. Doch das ist doch nicht der Grund, warum du ihm derart zürnst!«
»Nein«, gab Bathildis verdrossen zu, »nein das ist er nicht.«
Sie ließ die Wahrheit unausgesprochen. Sie zürnte ihm für sämtliche Empfindungen, die er aus ihr zu kitzeln wusste.
»Meine Königin ... Er hat dir doch dazu verholfen, des Königs Herz zu gewinnen und seine Frau...«
»Ach, hör schon auf! Er tat es nur für sich!«
»Und für den König!«, rief Rigunth, und nicht zum ersten Mal fragte sich Bathildis, woher eine Frau, die schon als Kind zur Sklavin wurde, den Mut nehmen konnte, einer Königin zu trotzen. »Ebroin ist ihm so ergeben. All seine Zuneigung richtet sich auf ihn.«
»Was mich verwundert«, murrte Bathildis. »Ebroin ist viel willensstärker als der König. Wie kann er ihn anschauen, ohne zugleich zu denken, dass Chlodwig ein Schwächling ist? Wie kann er ihn bewundern, wo jener sich doch vor jeder Entscheidung fürchtet?«
Schon fühlte sie sich von Rigunths starrem Blick ertappt, sich bloßgestellt als eine, deren leise Verachtung für den Gatten niemals gänzlich verschwunden war.
Sie erschrak.
»Ebroin fehlt es an Freundlichkeit und Güte, gewiss«, sagte Rigunth leise. »Und doch würde er niemals über den König spotten. Jede Schwäche von ihm wäre ein Anreiz, ihm noch treuer zur Seite zu stehen. Der König kann tun, was immer er will – Ebroin wird nie aufhören, ihm für die Freundschaft, die jener ihm als Kind erwiesen hat, dankbar zu sein.«
Ein zischender Laut
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