Die Regentin (German Edition)
Chlodwigs Gestalt im Torbogen verschwunden war, wandte sie sich ab – und stieß auf Ebroin, der es sich nicht hatte nehmen lassen, gleichfalls den König zu verabschieden.
Er ersparte ihr ein höhnisches Wort. Doch er grinste herausfordernd, bekundend, dass er sich nicht fürchtete, sich weiterhin im Kampf mit ihr zu messen.
XXV. Kapitel
Tag und Nacht schien Ebroin sie zu beobachten. Und Bathildis, bislang nur erzürnt, fühlte sich plötzlich auch bedroht.
»Ich weiß nicht«, sagte sie eines Tages zu Rigunth, »ich weiß nicht, wie weit er gehen würde, mir den Einfluss auf Chlodwig streitig zu machen.«
»Ich dachte, er wäre es gewesen, der dir zu diesem Einfluss stets verhelfen wollte.«
»Ja, gewiss ... wenn ich genau das tue, was er will.«
»Doch liegen sein und dein Trachten wirklich so weit auseinander?«
Rigunth betrachtete sie mit unergründlicher Miene. Bathildis zuckte unbehaglich mit den Schultern. Die Wahrheit war, sie wusste es nicht. Sie wusste nicht, was Ebroin wollte, von ihr und ihren Söhnen, vom König und vom Land. Sie wusste nicht, ob er sich nur die Zeit vertrieb, indem er sein Spiel mit ihr spielte und sie herausforderte, oder ob er sie wahrhaft quälen wollte, als Rache für ihre Ablehnung. In jedem Fall hatte sie stets das Gefühl, sie müsste auf der Hut vor ihm sein, auch wenn Rigunth das nicht verstand.
»Du warst so tatenhungrig, Königin, verbissen und rastlos im Kampf gegen die Sklaverei. Doch nun scheint mir, du stürztest dich mit gleicher Inbrunst in die Aufgabe, Ebroin zu überwachen. Ist das nicht vergeudete Kraft?«
»Was soll ich tun – wenn er mich doch lähmt?«
»Worin? Er verbietet dir doch nicht, erneut zu Eligius zu reisen oder anderes zu tun, um...«
Sie sprach nicht weiter. Bathildis begriff auch so.
»Nun gut«, meinte sie nachgebend, »ich will darüber nachdenken, eine neue Reise zu unternehmen... Wenn der König erst wieder zurückgekehrt ist.«
Rigunth deutete eine flüchtiges Lächeln an.
Doch Bathildis’ Pläne sollten nicht mehr verwirklicht werden.
Sie hatte erwartet, dass Ebroin nicht weiter mit ihr speisen würde – nun, da der König fort war. Doch als sie sich im engsten Kreise das Abendmahl servieren ließ – Rigunth war zugegen, Gertrude und drei, vier andere Mädchen aus adeligen Familien, die bei Hofe lebten, um ihr zu dienen, bis sie alt genug waren, den Bund der Ehe einzugehen –, so gesellte er sich zu ihnen.
»Du erlaubst doch, Königin, dass ich bei dir weile und dir die Zeit vertreibe, da du deinen Gatten schmerzlich vermisst?«, fragte er.
Sie schnaubte nur, doch er erwartete ihre Zustimmung ohnehin nicht und legte sich zu Tisch.
Es waren einfache Speisen serviert worden, auf den Geschmack der Königin ausgerichtet, die anstelle von gebratenem Fleisch eine suppa bevorzugte – eine typisch fränkische Brühe, in die man Brotwürfel schnitt und Wein unterrührte. Ebroin nahm nichts davon, sondern lag eine Weile auf seinen Arm gestützt, den Kopf etwas schief gehalten, und starrte auf Bathildis, nicht nur spöttisch, wie sie befand, sondern anzüglich.
Sie war es überdrüssig, seinem Blick forsch zu begegnen, und lehnte sich ihrerseits zurück. Anstatt das Mahl zu beenden, schloss sie die Augen zum Zeichen, dass ihr der Appetit vergangen sei. Solcherart hoffte sie, dass sie das Essen aufheben und sich zurückziehen könnte.
Alsbald freilich fiel ihm ein Mittel ein, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
»Rigunth!«, sprach er über den Tisch hinweg. »Rigunth! Schenk mir Wein ein!«
Stumm und ausdruckslos erhob sich das Mädchen, um seinem Befehl Folge zu leisten, doch schon schnellte Bathildis’ Arm vor und hielt sie zurück.
»Sie ist nicht deine Dienerin, Ebroin!«
Er grinste zufrieden und stocherte nur allzu gierig in ihrer Erregung. »Ach nein? Was ist sie denn anderes als eine gewöhnliche Sklavin?«
»Das ist sie nicht!«, entgegnete Bathildis heftig, wiewohl sie ahnte, dass sie ihn damit am meisten erfreute. »Sie hat keine Eltern mehr. Und ich habe zwar drei Söhne, aber keine Tochter.«
Ebroin kreischte auf. »O, fromme Bathildis! Hast stets ein offenes Herz für die Mühseligen und Beladenen, bist dir nie für eine gute Tat zu schade, für Milde und Demut! ... Du gestattest, dass ich mich weniger edel benehme.«
Rigunth hatte sich wieder zu Bathildis’ Füßen niedergelassen, wo sie zumeist saß. Nur drei Schritte war sie von Ebroin entfernt, und jener überbrückte diese schnell, um nach dem Mädchen zu
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