Die Regentin (German Edition)
aufhöre, dich zu verachten, dass ich dich immer hassen werden, so unsagbar...«
Da hob er ihre Hand in seiner, zog sie an seine farblosen Lippen, hauchte einen Kuss darauf, so kalt, weil alles in seinem Gesicht erfroren war, und zugleich so heiß.
»Nun«, meinte er schließlich mit leisem Spott. »Willst du die Macht, so musst du eben fortan damit leben.«
»Du wolltest mich umbringen«, zischte sie. Ihre Stimme gewann langsam wieder an Klang.
»Ich wollte dich nur erschrecken... nichts weiter. Ich wollte, dass du meine Drohungen ernst nimmst.«
»Du gibst also zu, dass du für den feigen Angriff auf der Burgmauer verantwortlich bist! Ich könnte dich dafür anklagen lassen!«
Er richtete sich wieder auf, ohne ihre Hand loszulassen. Langsam, nachlässig streichelte sein kleiner Finger über ihren Handrücken.
»Dafür ist es zu spät, meine Königin. Für eine Klageerhebung vor dem Königsgericht gibt es eine Frist von drei Tagen. Du hast sie nicht eingehalten, und wenn man nicht rechtzeitig klagt, so gibt es keine Möglichkeit mehr, ein Verbrechen zu ahnden.«
Unwirsch entriss sie ihm ihre Hand und vergrub sie in ihrem dunklen Mantel.
»Belehre mich nicht! Ich kenne die Gesetze dieses Landes!«
»Das ist gut«, murmelte er und machte keine Anstalten, erneut nach ihr zu greifen. »Denn ab heute regieren wir dieses Land ... gemeinsam.«
XXVIII. Kapitel
Fast vier fahre sind vergangen, seit ich Regentin dieses Landes bin, geliebter Aidan, und wiewohl ich manchmal bereue, mich dieser Pflicht gefügt zu haben, und ich daran verzweifeln könnte, nicht mehr von Dir zu wissen, als dass du lebst – so blicke ich doch auf viele Taten, die mich mit Stolz erfüllen. In dem, was ich schon zu Chlodwigs Lebzeiten begonnen habe, lässt Ebroin mir freie Hand, und dieses Recht, Entscheidungen zu treffen, nehme ich sehr gern in Anspruch.
Mit meinem Anteil, der mir als Chlodwigs Witwe vom Königsschatz zusteht, habe ich manches Kloster gegründet, in Corbie, in Saint-Maur-des-Fossés – und in Chelles, wo die einstige Äbtissin aus dem berühmten Jouarre regiert. Die Mönche und Nonnen leben dort nach einer Regel, welche sich manches von Benedikt von Nursia leiht und anderes vom Heiligen Columban. Der Vorteil von solcher »Mischregel«: Wiewohl das einfache Leben bevorzugend, ist den Brüdern und Schwestern nicht strenge Askese auferlegt. Sie können Besitz haben und auf diese Weise Einfluss nehmen und ihren Beitrag zu meinem Werke leisten – dem Kampf für jene, die am Rande der Gesellschaft leben, von Hunger und Not ebenso bedroht wie von der Unfreiheit.
Auf dass sich die Klöster vor allem mir, das heißt dem Königshaus, verpflichtet fühlen, habe ich auch etwas beschlossen, was mir in den Reihen der Bischöfe viele Feinde eintrug. Sei’s drum. Die meisten sahen in mir ohnehin stets die kleine Sklavin – unnütze Zeitverschwendung wäre es, um ihre Anerkennung zu buhlen. Mein Entschluss lautete, dass diese Klöster – von mir gegründet oder, sofern schon bestehend, reich beschenkt – aus der Amtsgewalt des zuständigen Bischofs gelöst werden. Das bedeutet, dass sie ihm nicht länger Abgaben zu erbringen haben, desgleichen wie sie von den Steuern, die für den Königshof bestimmt sind, befreit werden. Ob nun in Saint-Denis, in Saint-Médard oder Saint-Marcel – es bleibt mehr Geld für die Armen – und mehr Zeit für das Gebet, das dem Frieden der Heimat gilt und dem Heil des Königs. Immerwährend ist dieses Gebet in Saint Denis: Zu jeder Stunde, bei Tag und bei Nacht lösen sich die Mönche im Chorgesang ab, um Christi Milde und Güte für mich und die Meinen zu erbitten.
Die Bischöfe, solcherart der Disziplinargewalt beraubt, die nun alleine in den Händen des Abtes liegt, versuchten, mich zu strafen, trafen sich in Nantes und erklärten auf dem dortigen Konzil, dass Frauen bei jedweder politischen Versammlung zu schweigen hätten und durch einen Mann vertreten werden müssten.
Was soll’s. Trotz dieser Feindseligkeiten habe ich auch in der Kirche einige Getreue – und vor all den übrigen werde ich gewiss nicht wieder reden wie einst, als ich gegen die Sklaverei ankämpfte. Es ist mir auch lieber, ich wirke im Geheimen und im Kleinen, selten nur bekommen mich die Großen des Landes zu Gesicht, dem Volke freilich bin ich wohlbekannt...
Bathildis zuckte zusammen. Lautlos wie stets hatte sich Rigunth ihr genähert und ihr vorsichtig die Hand auf den Rücken gelegt.
»Meine Königin, es ist alles
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