Die Regentin (German Edition)
scharf verurteilen werde – du, Königin, darfst das nicht. Du musst dich vielmehr dazu bekennen.«
»Aber...«
»Wie ich schon sagte: Du bist Regentin, du darfst keine Schwäche zeigen! Und als Schwäche würde man dir auslegen, wenn Ebroin ohne dein Wissen und hinter deinem Rücken gehandelt hätte. Begreife: Weder kannst du diese Tat ungeschehen machen... noch darfst du deine Beteiligung von dir weisen.«
»Aber...«
»Vielleicht wirst du solcherart deinen guten Ruf verlieren – jedoch nicht deine Macht. Und du weißt, dass du diese Macht... ihm verdankst.«
Beim Reden hatte er sich aufgerichtet, nun ließ er sich zurück in den Stuhl sinken, sein schwerer, runder Leib bebte.
»Du kannst dich nicht von Ebroins Taten lösen«, schloss er. »Was du ihm auch vorwerfen magst – bedenke stets: Von jener Münze, mit der du Sklaven die Freiheit kaufst und Hungernden das Brot, ist er die andere... die dunkle Seite.«
Sie musste lange nach Ebroin suchen, und als sie ihn fand, so an einem Ort, wo sie ihn niemals erwartet hatte und wo sie ihn nur ungern zur Rede stellte. Mit seltsam erloschenem Blick und ernstem, nachdenklichen Gesicht stand er im Stall, wo er jenes Pferd streichelte, das einst Chlodwig gehört hatte und auf dem er zur letzten, tödlichen Jagd geritten war.
Bis zu diesem Augenblick hatte Bathildis zwar gewusst, dass niemals wieder einer dieses Tier geritten hatte, doch nie erfragt, was genau mit ihm geschehen war. Vorsichtig strichen Ebroins lange Finger über die Stirn des Pferdes, indessen er ihm mit der anderen Hand rote Äpfel anbot. Zuerst blähte das Tier seine Nüstern, dann fraß es schnell, mit gierigem Schubsen bekundend, dass es noch mehr wollte.
Bathildis erstarrte. Mit jedem Schritt, den ihre Suche nach ihm gewährt hatte, war ihre Wut gewachsen, der Wunsch, ihn anzubrüllen, ihn mit vernichtenden Worten anzuklagen, und irgendwie hatte sie damit gerechnet, dass er sie mit höhnischem Lächeln erwarten würde.
Stattdessen traf sie ihn nun in einem Moment der Stille an, der Vertraulichkeit – und der Trauer. Ja, es musste ihn die Trauer um den König treiben, wenn er, der dafür bekannt war, seit seinem einstigen Sturz Pferde zu fürchten, die Nähe von dessen getreuem Tier suchte – wohl nicht zum ersten Mal, wie sein gezieltes Streicheln verriet.
Sämtliche Worte, die sie ihm hatte sagen wollen, erstarben, und mit ihnen das Laute, Hitzige. Sie musste daran denken, was Rigunth vor langer Zeit zu ihr gesagt hatte: dass Ebroin demKönig von Herzen zugetan war, dass er Chlodwig – wiewohl er dessen Wesen kannte und wiewohl er dessen Schwäche gewiss manchmal verurteilte – ewig die Treue halten würde. Jetzt sah sie das erste Mal, dass jenes Gefühl der Zuneigung, der Dankbarkeit nicht mit des Königs Tod erloschen war, wohingegen es sich bei ihr ganz anders verhielt. Verlassen und schutzlos hatte sie sich nach Chlodwigs Tod gefühlt, doch der Kummer um ihn hatte nachgelassen, als sie Regentin wurde. Auch jene Wunde, die er aufriss, als er schon sterbend noch von Aidan sprach, war halbwegs verheilt, kaum dass sie sich für die Pflicht entschied.
Zurück blieb das angenehme, satte Gefühl, Chlodwig nichts schuldig geblieben zu sein – nicht aber jener wortlose, schwere, wehmütige Kummer, der Ebroins Züge so zerfurchte.
Sie wusste nicht, wann sie sich hätte aus der Erstarrung lösen können – hätte er sich nicht schließlich umgedreht, sie erblickt, unwillkürlich die Hände über seiner Brust verkreuzt. Der Ausdruck seines Gesichts blieb ernst und traurig und wurde keineswegs spöttisch.
Und so klangen die Worte, die sie schließlich sagte, weder geifernd noch anklagend, sondern einfach verzweifelt: »Warum hast du das getan, Ebroin? Warum bringst du mich in Verruf?«
Er antwortete nicht sogleich. Langsam trat er näher, bis er unmittelbar vor ihr stehen blieb. Seit er Major Domus war, legte er mehr Wert auf seine Kleidung. Seine Gürtelschnalle war mit einem funkelnden Granat verziert; ein kleiner Dolch mit goldenem Griff hing daran und eine Börse, die mit roten Rubinen besetzt war.
»Sag mir nicht«, setzte er schließlich ausdruckslos an, »sag mir nicht, du trauerst um Bischof Aunemund. Kannst du dir nicht denken, wie er über dich gesprochen hat und was von dir gehalten? Du bist für ihn nichts weiter als eine lästige, kleine Sklavin gewesen, deren einziges Verdienst es war, den König in ihr Bett gelockt zu haben!«
Wie schon vorhin regte sich in ihr die
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