Die Regentin (German Edition)
fügen.
Mit fordernder Stimme verlangte er eine jener Geschichten zu hören, die ihm mal die Mutter selbst, mal Fara, mal Gertrude erzählten. Er störte sich nicht an den verwunderten Blicken seiner Brüder, die solches Gebaren zum einen mädchenhaft fanden und zum anderen nie erfahren hatten, dass die Mutter sich zu solcher kindlichen Zerstreuung herabließ.
Bathildis freilich war dankbar, dass der Jüngste auf sein Recht pochte, sie in seine einfache, kindliche Existenz zurückholte und von jenen schweren Gedanken weg, die ihr die Fahrt vergällten.
Zwar hatte sie sich ein Ziel erwählt, das Trost und Rat verhieß, und doch wurde sie von der drängend lauten Frage verfolgt,ob in jenen Bußbüchern, welche von irischen Mönchen ins Frankenreich gebracht worden waren und in denen genau festgehalten stand, welches Vergehen mit welcher Buße abzudienen war, auch jene Sünde des Bischofsmords erwähnt war. War diese nicht zu groß, zu erschreckend, um jemals ausreichend gebüßt zu sein? Und zeigten nicht schon die weltlichen Gesetze, wie unerhört es war, gegen einen Bischof die Hand zu erheben? Schon für eine Wunde, die einem solchen zugefügt wurde, musste mit dem Preis einer Sklavin bezahlt werden – falls denn die Narbe drei Jahre lang sichtbar war. Und wer es wagte, einem Bischof Haare aus dem Kopf zu reißen, dem sollten für jedes ausgerissene zwölf eigene herausgezogen werden.
Gewiss, Gott war barmherzig, vielleicht viel gnädiger als irdische Richter. Doch war es ratsam, für sämtliches Fehlen schon in der hiesigen Welt einen Ausgleich zu leisten.
Freilich – war sie überhaupt dazu verpflichtet, wo doch Ebroin der Übeltäter war, der heimtückisch hinter ihrem Rücken sein scheußliches Werk vollbracht hatte – wenn auch zum Zwecke, ihre Regentschaft zu sichern?
Dies war das Beunruhigendste von allem – dass sich immer wieder in jene Reue und jenes Erschrecken das Gefühl tiefster Genugtuung stahl, welche im Bischofsmord keinerlei Vergehen sah, sondern einzig die gerechte Strafe für einen hochmütigen Aunemund, der ihre Würde niemals hatte anerkennen wollen.
»Erzähl mir etwas...«, drängte Theuderich indes und rutschte eng an die Mutter heran, erneut misstrauisch von den anderen Brüdern beäugt, die solche Nähe niemals gesucht hatten. Gleichwohl waren auch sie über die Abwechslung erleichtert, die jene öde Fahrt erträglicher machte, und wenn ihre Blicke auch nicht gleichermaßen hungrig und neugierig glänzten wie jene von Theuderich, so lauschten sie, als Bathildis von der Prinzessin Rosamunde erzählte, die erst Zusehen musste, wie der böse Alboin ihren Vater Kunimond tötete, und hernach von ihm entführt und gegen ihren Willen zur Gattin gemacht wurde. Jahrelangfügte sie sich ihrem Geschick, jedoch nur vermeintlich, denn insgeheim wartete sie auf ihre Rache und schickte schließlich einen Mörder zu ihrem verhassten Gatten, der diesen eigenhändig erwürgte.
Bathildis erzählte zögernd. Obwohl Rosamunde keine Fränkin war, sondern im Reich der Langobarden gelebt hatte, so war sie doch eine beliebte Heldin, deren Geschichte sich vor allem die Frauen gerne erzählten.
Theuderich lauschte begierig mit roten Wangen. Dennoch empfand sie selbst das Ende nie als Triumph, sondern schlichtweg als grausam. Es mochte die Schandtat von Alboin vielleicht rächen – vermochte es auch die Wunden zu heilen, die sie auf Rosamundes Seele hinterlassen hatte? Und war heute wirklich der rechte Tag, vergangene Bluttat heraufzubeschwören?
Viel lieber erzählte sie danach – vom fordernden Theuderich zu einer weiteren Geschichte gedrängt – von Radegunde, welche eine große Heilige war, zunächst die Ehefrau von König Chlothar und dann eine Nonne, die in Poitiers ein Kloster gegründet hatte.
»Sie kämpfte stets mit ganzem Herzen gegen das Heidentum«, versuchte Bathildis mitreißend zu erzählen. »Eines Tages war sie bei einer Matrone namens Ansifrede zu Gast, als sie erfuhr, dass man in der Nähe ein Fest für die alten Götter feierte und...«
»...und dann schwang sie sich aufs Pferd«, fiel Theuderich ihr ins Wort, der den Ausgang der Geschichte bereits kannte, »ist an jenen frevlerischen Ort geritten und hat die Stätte zerstört, wiewohl die Heiden sämtlich bewaffnet waren, sie aber nicht.«
»Gott hat sie geschützt, so wie alle seine Getreuen«, murmelte Bathildis gedankenverloren.
»Das hat sie gewusst und darum solchen Mut bewiesen«, sprach Theuderich. »Und noch viel
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