Die Regentin (German Edition)
seiner hitzigen, fordernden Kraft bliebe, sie heimzusuchen.
»Hör auf! Hör auf!«, schrie sie.
»O gute, heilige Bathildis!«, lästerte er. »Ich weiß sehr wohl, dass du dir nicht gerne die Hände schmutzig machst... ich weiß sogar, dass du sie dir einst häufiger gewaschen hast als jeder andere, Stunden um Stunden, immer voll Angst, es könnten noch Spuren der Asche dran haften. Tust du es noch? Nun, das ist mir gleich. Ich bin sogar bereit, für dich in den Dreck zu greifen und dort, wo sich Feinde wie Nattern zusammenrotten, mit dem Schwert dazwischenzuschlagen. Du aber vergiss nie, dass ich das nicht nur für mich tue, sondern auch für dich! Wage es nie, nie, nie, mich dafür anzuklagen oder geringzuschätzen!«
Er ließ sie nicht nur los, sondern stieß sie so fest zurück, dass sie stolperte. Obwohl erleichtert, dass sie von seinem Griff befreit war, nahm sie das nicht hin. Sie stürzte auf ihn los, packte ihn ihrerseits, hängte sich an ihn, als könnte sie mit bloßer Leibeskraft sämtliche Bosheit und Gemeinheit aus ihm herauspressen... und sämtliche Ohnmacht und Leere und Verzweiflung, die irgendwo weit darunter lagen.
»Es geht nicht nur um meine Macht und deine! Ich herrsche auch im Namen meines Sohnes! Und Gottes Fluch soll nicht ihn treffen für Untaten, die du begangen hast!«
Sie fühlte, wie ein Zucken durch seinen Leib ging, wie er sich wand, wie er sie abzuschütteln versuchte, ein wenig widerwillig, ein wenig hilflos. Sein Gesicht, eben noch aschfahl, wurde glühend rot.
»In den Adern deiner Söhne fließt gutes, königliches Blut... und abscheuliches, das weißt du so gut wie ich. Keiner ihrer Vorfahren hat sich jemals gescheut, verbissen um die Macht zu kämpfen. Ich weiß, dass du dich davor fürchtest, dass in ihnen die gleiche Härte erwacht. Aus keinem anderen Grund hast du darum gekämpft, dass nur der Älteste die Krone erbt, auf dass sich nie drei ranggleiche Könige im grausamen Krieg gegenüberstehen. Und eben darum, Bathildis, darf nichts geschehen, was zu Zersplitterung, zu Teilung führt. Ein König, eine Regentin, ein Major Domus. Wer sich nicht unterwirft, wird sterben... schmählich, einsam, im Dreck der Gosse.«
Er gab die Versuche auf, sie abzuschütteln, und als er nicht mehr mit ihr rang, sondern sich versteifte und erkaltete, so wurde es ihr unerträglich, ihm so nah zu sein. Sie ließ ihn los, trat hastig mehrere Schritte zurück, rang vergebens nach Worten. Es fiel ihr nichts ein, was sie ihm entgegenhalten könnte, und er schenkte ihr nicht die Zeit, sich wieder zu sammeln, sondern wandte sich ab.
»Geh und ruh dich aus, meine Königin«, murmelte er gehässig über seine Schultern, »vor allem aber: Nimm ein Bad. Man sieht dir die lange Reise an.«
Rigunth fand sie später im Stall. Stundenlang musste sie dort verweilt haben, zuerst starr stehend, dann war sie auf den schmutzigen Boden gesunken. Sie störte sich nicht einmal daran, dass ihre Hände gedankenverloren in der dunklen Erde wühlten.
»Meine Königin, was tust du denn?«, rief Rigunth entsetzt, bückte sich, versuchte, sie aufzurichten.
»Was kümmert’s mich, wenn ich mich schmutzig mache?«, gab Bathildis zurück und erwehrte sich des Griffs der anderen. »Der Mönch hatte recht: An meinen Händen klebt Blut. Ich bin die Mörderin eines Bischofs.«
»Das bist du nicht! Ebroin mag in deinem Namen gehandelt haben – doch ohne dein Wissen!«
»Nun, jetzt weiß ich darum... und kann’s nicht verhindern... kann’s ihm nicht verbieten... Nie hätte ich auf ihn setzen dürfen, mich darauf einlassen, mit seiner Hilfe mein Amt zu erwerben. Besser wär’s, ich hätte darauf verzichtet, hätte mich in ein Kloster zurückgezogen und...«
Sie brach ab.
»Und... und jetzt, meine Königin – was willst du jetzt tun? Willst du deine Macht aufgeben?«
»Geh und bereite alles für eine neue Reise vor. Diesmal nehme ich meine Söhne mit«, erklärte sie entschieden, ließ sich nun endlich aufhelfen und schüttelte sich den Staub von den Kleidern.
»Wohin willst du fahren, meine Königin?«
Lange verlief die Reise schweigend. Selbst den drei Söhnen, die eilig zum Aufbruch gerüstet worden waren, teilte Bathildis ihr Ziel nicht mit, und ihre starre Haltung, ihr ausdrucksloser Blick waren so befremdend, dass die Kinder sie nicht zu fragen wagten.
Erst nach einigen Stunden begann Theuderich unruhig zu werden – zu klein noch, um die Langeweile zu unterdrücken und sich dem Schweigen der Mutter zu
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