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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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kargen Mahl aus Wasser und Brot. Wenn sie schwitzten, rochen sie wie Frauen – und in Wahrheit schwitzten sie nur selten, weil sie nicht kämpften noch ritten, sondern meist lasen und beteten.
    Die Männer aber, die den Vater und künftigen Bräutigam begleiteten, rochen wie Tiere, gaben in der ersten Nacht, da sie im feucht dampfenden, moosbedeckten Waldboden Zelte aufgeschlagen hatten (nur für Bathildis und Aidan, die anderen schliefen unter freiem, regenspeienden Sternenhimmel), grunzende Geräusche von sich und legten in alles, was sie taten, viel mehr Gewicht als wendige, zarte Frauen. Allein die Fußtritte hinterließen im weichen Boden Krater, als wäre ein Bärdort geschritten, und wenn sie einander Befehle zuriefen, so klang es tief und kehlig.
    Je länger Bathildis sie beobachtete, desto mehr verging ihr das Hadern, weil der Vater sich nicht über das Wiedersehen mit ihr freute. Wenn alle Männer derart laut und roh und wuchtig waren – war es dann nicht besser, nichts mit ihnen zu tun zu haben und ihrer Aufmerksamkeit zu entgehen?
    Aidan freilich war nicht laut.
    Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass er nicht viel größer gewachsen war als sie selbst, dass er die rosige Haut eines Mädchens hatte und blonde Löckchen, die sich in der feuchten Regenluft noch mehr kräuselten. Schweigend ritten sie nebeneinander her, und da er ihren forschenden, obwohl vorsichtigen Blick nicht spürte, wagte sie, den Kopf zu heben, um ihn noch genauer zu mustern.
    Die Arme deuchten sie merkwürdig kurz. Nicht anders verhielt es sich mit den Fingern: Feingliedrig waren sie und schmal.
    Seine Hände gleichen denen eines Weibes, dachte Bathildis und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Gewiss, es war angenehm zu erfahren, dass nicht alles um sie fremd war. Doch gleichsam fragte sie sich, ob einer, dessen Statur und Antlitz an eine der Nonnen erinnerten, nicht als Mönch besser aufgehoben war denn als ihr Ehemann, ob Gott, der die Männer offenbar viel roher und grobschlächtiger geformt hatte als die Weiber, es denn gestattete, dass einer weder dem einen noch dem anderen Geschlecht eindeutig zuzuordnen war. Mochte die Natur nicht klare Formen?
    Ihre Mundwinkel zuckten verächtlich – just in dem Augenblick, da er ihres Blickes innewurde und hochsah.
    Und jetzt errötet er auch noch wie ein Mädchen!, durchfuhr es sie, indessen sie ihn forsch weiter anstarrte, anstatt sittsam den Blick zu senken. Er tat es an ihrer statt, doch gerade weil ihm der Mut fehlte, ihren neugierigen Augen standzuhalten, so fühlte sie sich verführt, ihn weiter herauszufordern.
    »Sag, Aidan!«, begann sie beherzt, als wäre es selbstverständlich, mit ihm zu reden. »Erzählst du mir, was in den letzten Jahren in meinem Heimatland Northumbrien geschehen ist?«
    Unruhig rutschte er im Sattel hin und her. Eine Weile sagte er gar nichts. Dann freilich wagte er doch zu antworten.
    »Was willst du wissen?«
    Bathildis zuckte mit den Schultern. Bis zu dem Zusammentreffen mit dem Vater hatte sie sich gewünscht, noch mehr vom Geschick ihrer Familie zu erfahren: wie ihre Mutter Estrith gewesen war, woran sie starb, warum der Vater das Kind ins Kloster geschickt hatte, anstatt es von seiner Mutter Acha großziehen zu lassen. Doch seit Thorgils ernüchternden Worten war sie nicht sicher, ob sie dies alles tatsächlich wissen wollte, ob es nicht besser war, die Tiefen der Herkunft zu meiden, wo offenbar nicht Erinnerung an liebevolle Umsorgung wartete, sondern solche an Zank zwischen den beiden Frauen.
    »Nun«, setzte sie an, »im Kloster haben wir die Schriften des Paulus Orosius gelesen, welcher beschrieben hat, auf welche Weise Gott die Geschichte Britanniens gelenkt hat. Jedoch endet sein Bericht vor vielen hundert Jahren. Ich möchte wissen, was seitdem geschehen ist!«
    Aidan runzelte misstrauisch die Stirne, unschlüssig, ob eine Frau solche Frage stellen durfte und ob er sie beantworten konnte.
    Bathildis war sich dessen auch nicht sicher. Wagemutig deuchte es sie, sich eine Heimat zuzusprechen, wiewohl sie keine Erinnerung daran hatte und sie nichts weiter von der Welt kannte als das Stückchen Land, welches das Kloster umgrenzte. Von dem, was dahinter lag, hatten die Nonnen zwar manchmal erzählt, jedoch meist angstvoll. Alles Unvertraute nannten sie gefährlich, zerrissen von verschiedensten Völkern, die die Insel bewohnten und meist gegeneinander kämpften: Da gab es schreckliche Heiden, sowohl im Norden als auch im Süden, die

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