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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sind sämtlich ins Kloster eingetreten – deine Söhne und Töchter?«, fragte Bathildis verblüfft. Freilich, man hörte manchmal von solchen Familien, die gemeinsam beschlossen, die irdischen Freuden hinter sich zu lassen, doch stets hatte sie gedacht, dass dies nur aus Not geschehe, nicht aus freiem Willen.
    »So ist’s. Ich habe sie überzeugt. Warum sollt ich ihnen nicht das beste Leben wünschen, das es hier auf Erden gibt?«
    Bathildis zuckte mit den Schultern, warf einen unmerklichen Blick auf Sadalbergas Gewand, nicht eine gewöhnliche, graue Kutte, sondern das Cilicium , ein Bußkleid. Es wurde nicht über einer schützend weichen Tunika getragen, sondern auf der nackten Haut.
    »Ich frage mich oft«, setzte sie unwillkürlich an, »ob nicht auch mir das Klosterleben geraten wäre...«
    Sie seufzte, in Worte fassend, was nun seit Tagen schon in ihrem Kopf kreiste, vor allem jetzt, da sie an eben dieser Stätte Zuflucht vor dem Unwetter gefunden hatte.
    Sadalberga begann mit ihren roten Fingern, die Wurzeln zu zerhacken. »Ist es dein inniglichster Wunsch... oder nur der einzige Ausweg? Was ist es, was du willst?«
    Bathildis zuckte mit den Schultern. Einst hatte sie entschlossen zu Ebroin gesagt, dass sie Gutes tun wollte – doch hier an dieser Stätte und gemessen an der frommen Frau schienen ihr die eigenen Taten lächerlich gering, und noch viel schäbiger deuchte sie das Trachten, das dahintergestanden hatte: anfangs Rastlosigkeit und der Wunsch nach Wiedergutmachung; später das Bemühen, ihren Söhnen Gottes Wohlwollen zu sichern – und sich selbst die Achtung eines Volkes, dessen Adel sie niemals wahrhaft anerkennen würde.
    »Also«, wiederholte Sadalberga, als sie nichts sagte. »Was ist es, was du willst?«
    Bathildis wusste es nicht genau. »Ich... ich möchte Frieden finden«, setzte sie nachdenklich an. »Und diesen Frieden hast du doch auch gefunden, ehrwürdige Mutter? In diesen Mauern wurde er dir geschenkt! Warum soll mir das nicht gelingen?«
    »Mit meinem sehenden Auge erblicke ich die Statur der Menschen. Mit meinem blinden aber das, was sie denken und fühlen. Du scheinst mir aufgewühlt zu sein. So zornig und so traurig. Dein Wille deucht mich so fest... und das Ziel, auf das er sich richtet, zugleich so unbestimmt.«
    Bathildis vermochte nicht, ihren Blick von Sadalbergas Händen zu lassen. Runzelig waren sie, aufgeraut. Ob noch Spuren der schwärenden Wunden daran klebten, die sie eben verbunden hatte, ob noch Hautfetzen von den Aussätzigen unter ihren Nägeln waren?
    Sie versuchte, den Ekel, der sie überkam, wegzuhüsteln, doch der Laut, der über ihre Lippen trat, glich mehr einem verschämten Schluchzen.
    »Nicht selten ist mir, als würde in mir nicht nur die eine Seele wohnen, sondern derer mehrere«, gab sie unwillkürlich zu, gewiss, dass sich eine Frau wie Sadalberga nicht vor dem Unratscheuen würde, den sie sich von der Seele redete. »Die eine will gut sein, die andere sauber. Die eine will Macht, die andere Frieden. Die eine ist getrieben und niemals still, die andere wünscht nichts als Ruhe und ein Zuhause... Ach, wäre ich nicht so zerrissen, ich wüsste eher, was ich nun zu tun habe! Sag du es mir: Soll ich zurückkehren nach Paris, mich dem Major Domus Ebroin beugen, mit ihm herrschen? Oder soll ich an einem Ort wie diesem... bleiben?«
    Sadalberga ließ für einen Augenblick die Hände ruhen und drehte sich langsam zu ihr um. »Ich kann dir keine Antwort geben, nur eines weiß ich ganz gewiss: Wenn du an einem Ort wie diesem Frieden willst, dann musst du ihn mitbringen... du darfst nicht erwarten, ihn hier zu finden.«
    Tröstend streckte sie ihre Hand nach Bathildis aus, wollte ihre Wange streicheln, vielleicht auch ihre Stirn berühren, um sie zu segnen. Bathildis zuckte angewidert zurück, dachte nur an die Wunden der Aussätzigen, die diese Hand berührt hatte. Ob sie auch die Latrinen reinigte?
    Beim Anblick von Sadalbergas roten, rissigen Fingern fiel ihr wieder ein, wie sie dereinst mit der Schafschur an dem kalten Tümpel gehockt hatte, im eisigen Wasser darum kämpfend, den Kot der Tiere aus dem Fell zu lösen. Sie schauderte ob der Lebendigkeit, mit der nicht nur die Erinnerung an diese Stunde vor ihr aufstieg, sondern auch das damalige Hadern, die Verzweiflung über ihr Leben. Sie hatte die Jahre einzig überstanden, weil sie an Aidan gedacht hatte und ihren Schwur. Ich werde ihn Wiedersehen, ich werde ihn Wiedersehen... Nur deswegen hatte sie ihr

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