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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Rigunths Arme, erhob sich und kletterte – mühselig balancierend – aus dem Wagen. Augenblicklich klatschte ein Regenschwall auf sie wie eine Ohrfeige.
    »Verflucht!«, schimpfte sie. »Wo sind wir?«
    Blinzelnd hielt sie nach den Berittenen Ausschau. Die Pferdehufe versanken tief im Schlamm – so wie die eigenen Füße in der Straße feststeckten, die sich bereits zum Bächlein gewandelt hatte und bald schon einem reißenden Flusse gleichen würde.
    »Meine Königin!«, kämpfte sich einer der Männer zu ihr. »Meine Königin! Bleibt im Wagen!«
    »Dort ist’s bald nass wie hier. Wir müssen Unterschlupf finden – also, wo sind wir?«
    Der Mann sprang vom Pferd und baute sich neben ihr auf, als könnte seine Nähe sie vor der Nässe bewahren.
    »Wenn ich nicht irre, so ist nicht weit von hier ein Kloster. Wir können Eure Söhne auf die Pferde heben – und Euch auch.«
    Bathildis hob ihre Hand zur Stirne, um die Augen gegen den Regen abzuschirmen.
    »So sei’s!«, befahl sie unwirsch, von der Aussicht auf ein schützendes Gebäude kaum beschwichtigt. Freilich ging ihr durch den Kopf, ob dies ein Zeichen war, das Eligius, bereitsim Totenreich, ihr noch zustellen wollte: dass ihr tatsächlich ein Leben im Kloster, ein Rückzug von der Macht, am besten anstünde.
    Indessen sie aber mühsam die Füße aus dem Schlamm zog und schwere Schritte durch das graue, nasse Inferno machte, war jene nüchterne Überlegung fortgespült, und übrig blieb einzig – wie schon einmal am heutigen Tag, da ein längst vergangenes Gefühl sich mit Gegenwärtigem verbunden hatte – die Erinnerung an jene Zeit, da sie mit Sicho durch die Lande gezogen, auch sein Wagen beinahe gebrochen war und sie im Dreck festgesteckt hatten. Schlimmer noch, als den Himmelsgewalten ausgeliefert zu sein, war die schmähliche Ahnung, dass ihr Leben kein fortlaufender Fluss war, sondern ein elender Kreis, der stets aufs Neue dasselbe vorzeigte, wenngleich in wechselndem Gewand: Dreck und Nässe und – was am schlimmsten war – das Gefühl von Ohnmacht.
    »Verflucht!«, schimpfte sie ein zweites Mal, während der Regen sämtliche Hindernisse überwand, die ihm ihre enggeschnürte Kleidung entgegensetzte, und schon in kalten Strömen über ihren Rücken lief.
    Starke Hände hoben sie aufs Pferd. Die Nähe des fremden männlichen Körpers war unangenehm, aber zumindest wärmte sie.
    »Macht schnell!«, murmelte sie in das Prasseln. »Gott helfe, dass wir das Kloster rasch erreichen!«
    Während sie frierend die Hände aneinanderrieb, hoffte sie nicht nur auf einen Unterschlupf, sondern vor allem auf ein wenig trockenen, stillen, sauberen Seelenfrieden.
    Bathildis’ Haare klebten noch nass um ihren Kopf, und sie spürte jeden Luftzug wie einen eisigen Hauch, aber trotzdem fühlte sie sich in den trockenen Kleidern, die man ihr gegeben hatte, wieder sauber und gestärkt und nahm dafür sogar den grauen, kratzenden Stoff in Kauf. Das Mahl, das man ihr reichte, wareinfach, jedoch nicht minder wohltuend: frisches Gerstenbrot, ein paar getrocknete Waldbeeren, ein Becher Milch.
    »Richtet eurer Äbtissin meinen Dank für ihre Gastfreundschaft aus. Ich will’s ihr fürstlich lohnen.«
    Die Nonnen mit den alterslosen Gesichtern, welche die durchnässten Reisenden aufgenommen und versorgt hatten – dies alles wortkarg und ohne Lächeln, jedoch voll stillem Respekt und Höflichkeit –, warfen sich fragende Blicke zu.
    »Ich bin nicht sicher«, setzte die eine zweifelnd an, »ob das unserer Mutter gefallen wird...«
    Bathildis fuhr mit ihren Fingern durch das nasse Haar. »Bislang hat noch kein Kloster eine Schenkung von mir zurückgewiesen«, erklärte sie schroff.
    Wieder erntete sie den zweifelnden Blick der beiden Nonnen; wieder dauerte es eine Weile, in der sich diese mit stummen Gesten darauf festlegten, wer ihr zu antworten hatte – und wieder tat es die Gleiche mit zweifelndem Tonfall: »Unsere Äbtissin ist bekannt für ihre Mildtätigkeit. Sie gibt nicht nur Almosen an die Armen und gewöhnlich Kranken... sondern auch an die Aussätzigen, wiewohl denn alle Welt weiß, dass daran nur leidet, wer von Gottes Fluch getroffen ist.«
    »Und darum«, spottete Bathildis sanft, »soll sie nicht dafür belohnt werden, dass sie auch einer Königin Unterschlupf gewährt?«
    »Ich will Euch nicht kränken, meine Königin... aber ach, es ist doch so, dass unsere Mutter, so gütig und warmherzig, so milde und freundlich sie sich auch zeigt, zwei Dinge zutiefst

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