Die Regentin (German Edition)
Zutritt zum Hofe hat, wenn ich es nicht ausdrücklich gestatte?«
»Du bist der Major Domus... da wie dort. Tu, was dir beliebt!«
»Ich danke dir für dein Verständnis, Königin«, höhnte er.
Sie wollte an ihm vorbeitreten, als jäh sein Kopf vorschnellte, um sich dicht und warm an ihre Wange zu schmiegen.
»Du musst mir noch etwas gewähren«, forderte er kühl.
»Was?«
»Zuerst, dass ich erneut ein Todesurteil fälle«, erklärte er. »Und als Zweites... deinen Sohn.«
Als Bathildis ihr Gemach betrat, um sich von der Reise auszuruhen und darüber nachzudenken, was Ebroin ihr gesagt hatte, traf sie auf Gertrude. Leutsindas geschwätzige Tochter schien auf sie gewartet zu haben.
»Bitte, Königin, bitte, ich muss mit dir sprechen«, begann sie mit unruhig flackerndem Blick.
Bathildis hatte den Kopf gesenkt gehalten. Als sie zu Gertrude hochblickte, stach ein spitzer Schmerz in ihr Genick. Stöhnend hob sie beide Hände an die Schläfen.
»Ich muss mit dir sprechen... ich muss dir etwas sagen...«, fuhr Gertrude fort.
Bathildis konnte sich noch gut an ihren vorwurfsvollen Blickerinnern, als man von Aunemunds Tod erfahren hatte. Nicht offen verächtlich war er gewesen wie der von manchen anderen – Leudesius, ihrem Bruder, oder Fredegar, dem Erzieher der Kinder –, aber doch ausreichend verstört, dass Bathildis nun sicher war, Gertrude würde auf das unliebsame Thema zu sprechen kommen.
»Ach, verschon mich!«, entfuhr es Bathildis ungehalten. Schlimm genug war der Gedanke an das, was Ebroin neuerlich plante, in das er sie eben eingeweiht und dem sie ihre Zustimmung gegeben hatte. »Ich will nichts hören!«
Um einen Mord ging es, zwar nicht an einem Bischof, aber an einem gewichtigen Mann. Freilich – was zählte nach der Untat wider Aunemund schon ein zweiter, dritter, vierter Toter?
Das hatte Ebroin auch gesagt: Dass man sich an ihr brutales Durchgreifen gewöhnen würde, wäre es erst zur Regel geworden.
»Aber Königin... es ist... es geht...«
»Verschon mich!«, wiederholte Bathildis. »Für den heutigen Tag habe ich genug zu bedenken!«
Sie hob abwehrend die Hand, dann drehte sie sieh um und ging, und Gertrude fügte sich betroffen, zu schwach, um sich gegen Bathildis aufzulehnen.
Am nächsten Tag versuchte sie nicht wieder, in die Königin zu dringen – und erst Jahre später reute es Bathildis, dass sie ihr nicht geduldiger zugehört hatte.
XXXI. Kapitel
Geliebter Aidan ,
diesmal habe ich selbst das Todesurteil ausgesprochen - es richtete sich gegen einen gewissen Grimoald aus dem Geschlecht der Pippiniden, welcher lange fahre Major Domus in Austrasien war .
Warum jener sterben musste?
Es verhielt sich so, dass Sigibert, Chlodwigs Halbbruder, den König Dagobert mit seiner Nebenfrau Ragnetrudis hatte, und Herrscher im zweiten fränkischen Teilreich, lange Zeit keine Kinder zeugen konnte. Die adeligen Familien von Austrasien fürchteten darob stets, dass Chlodwig diesen Umstand nutzen, gewaltsam einmarschieren und jenes Land mit seinem eigenen verbinden würde. Sigibert tat alles, um dieser Gefahr vorzubeugen und nicht ohne Erben zu sterben. Er entschied sich, den Sohn seines Major Domus Grimoald zu adoptieren, auf dass ihm dereinst dieser als König nachfolgen könnte. Freilich entbehrte dieser Schritt bald der Notwendigkeit, denn just als die Adoption geregelt war, so war die Königin Chimnechilde doch noch guter Hoffnung-und kam mit zwei Königskindern nieder: erst mit Bilichild, dann dem ersehnten Sohn Dagobert .
Sigibert konnte sich nicht lange darüber erfreuen. Er starb alsbald, und zurück blieben nur minderjährige Kinder... und der ehrgeizige Grimoald, der fortan alles tat, um seinen eigenen Sohn Childebert auf den Thron zu setzen, nicht den des Königs .
Tatsächlich konnte er sich durchsetzen, ließ den kleinen Dagobert nach Irland verbannen und machte Childebert zum König .
Nun war er am Ziel seiner Wünsche – und wurde doch für diese gemeinen Machenschaften von Gott auf die grausamste Weise gemaßregelt, die man sich denken kann: Denn der kleine Childebert starb .
Der Grundlage seiner Macht verlustig gegangen, kämpfte Grimoald trotzdem mit allen Mitteln darum – und kam auf die Idee, sich ausgerechnet zu uns nach Neustrien zu begeben, nach Paris .
Denn längst hatte Ebroin, um die unruhige Lage in unserem Nachbarland wissend, seine eigenen Pläne gemacht, die Großen dort kontaktiert und ihnen einen Vorschlag unterbreitet: Er würde Grimoald nach Paris
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