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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ihren Körper doch so sehr, gefangen, dass sie sich für Augenblicke nicht regen konnte.
    Lediglich der Zunge war sie mächtig – und jene spuckte böse, zischende Laute: »Du hast mich erschreckt! Scher dich fort! Ich brauch dich hier nicht!«
    Keine andere hätte es gewagt, sich ihrem Wunsch, allein zu bleiben, dreist zu widersetzen. Und keine andere vermochte dem wütenden Grollen so gleichmütig zu trotzen.
    »Du bist ganz allein«, sagte Rigunth leise, »und es ist mitten in der Nacht.«
    Bathildis schaffte es nur zögerlich, den Zorn wider das Mädchen zu bändigen. Gleichwohl sie keine andere Vertraute hatte, der sie sich so unverstellt zeigte wie Rigunth, regte sich doch dann und wann die Lust, sie von dem ruhigen Platz fortzulocken, den sie trotz sämtlicher Lebenswirrnisse gefunden zu haben schien, und sie in jenes Tal der unausgegorenen, heftigen Gefühle zu stürzen, die sie selbst immer wieder einholten. Freilich wollte sie den Mut des Mädchens, ihr zu folgen, nicht noch schüren, indem sie sie tadelte.
    »Weißt du, dass er stets ein Feigling gewesen ist?«, fragte sie stattdessen unwillkürlich.
    »Wer?«
    »Mein Bräutigam aus meiner alten Heimat, die ich nie richtig kennen gelernt habe und an die ich mich kaum erinnern kann. Er hatte die blonden Locken und die kleinen Hände eines Mädchens...«
    Selten hatte sie sich in den letzten Jahren Aidan vorgestellt, selten das wenige heraufbeschworen, was in der Tiefe ihres Gedächtnisses rottete. Sein Name war ihr allgegenwärtig, sie fühlte manchmal noch den Schmerz der Einsamkeit, und sie schrieb an ihn, weil sie solcherart den niemals verwundenen Bruch in ihrem Leben mit einer schmalen Brücke zu kitten vermeinte.
    An ihn selbst, an seine Gestalt, sein Gesicht hatte sie jedoch fast nie gedacht. Jetzt tat sie es, und es fiel ihr noch viel mehr ein als nur sein Äußeres: Welche Furcht er vor seinem Vater Ricbert gehabt hatte, ja, vor der ganzen Welt. Dass er mit ihr vor den Friesen fortgelaufen war, weil er zu feige gewesen war, das Schwert zu führen. Er hatte ihr zwar vorgemacht, dass er nur ihretwegen darauf verzichtet hätte, doch beschützt hatte er sie nie. Weder als die beiden schrecklichen Riesen sich um sie zankten, noch als sie auf dem Sklavenmarkt ihres Schicksals harrten. Diesem Schicksal hatte er sich kampflos ergeben – und zugleich misstrauisch auf sie gestarrt, die sie sämtliche Kräfte zusammennahm, um zu überleben. Er hatte ihr den Eheschwur verweigert in jener letzten Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, desgleichen, bei ihr zu liegen, und er hatte auch nicht versucht, ihre Trennung zu vermeiden, indem er wie sie aberwitzige Fluchtpläne entwarf.
    Als Bruder Answin sie am nächsten Tag geholt und man sie aus dem Raum gezerrt hatte, so hatte er seinen Kopf in die Knie vergraben, um ihr nicht nachsehen zu müssen.
    Und offenbar hatte er sich auch später nie nach ihr umgedreht, hatte ihren Namen und die für ihn peinvollen Erinnerungen, die daran geknüpft waren, aus seinem Gedächtnis gemerzt.
    »Königin, es ist kalt...«
    »Ich bin eine Närrin«, murmelte Bathildis. »Ich finde keinen Frieden in dem, was ich tue. Ich finde kein Glück, weil ich stets gedacht habe, dass es bei Aidan läge. Chlodwig hingegen habe ich verachtet – o ja, ich habe ihn so verachtet, wie er da ständig hockte und aß, hinter seinen Schüsseln wie hinter einer Mauer vergraben, und dass er nach mir verlangte, ja lechzte wie ein Ertrinkender. Er war so schwach, aber immerhin doch stärker als Aidan. Er hat mich von der Sklaverei befreit, er hat mich zu seiner Königin gemacht, er... er hat mir die Kälte der ersten Jahre verziehen, all meine guten Werke erst ermöglicht. Und wie habe ich es ihm gedankt?«
    Unruhig schritt sie die Straße auf und ab, so sehr im Fluss der Worte gefangen, dass sie kaum gewahrte, wie Rigunth wieder zu ihr trat, sie am Arme griff, sie vorsichtig zurück zum sicheren Hort zu leiten versuchte.
    »Du warst ihm ehrlich zugeneigt in den letzten Jahren seines Lebens«, sprach sie ruhig auf die Königin ein. »Du hast ihm drei Söhne geschenkt. Und du warst in der Stunde seines Todes bei ihm und hast ihn deiner Liebe versichert...«
    Bathildis widersetzte sich nicht dem Streben, zurück zum Palast zu gehen, doch sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht nur Chlodwig, an dem ich mich schuldig gemacht habe. Von meinen Söhnen liebe ich ja doch nur den dritten, die ersten beiden deuchten mich stets sichtbare Zeichen meiner

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