Die Regentin (German Edition)
ihnen, wenn er sich doch weigerte, die Namen der anderen Verräter zu gestehen?
Ja, das war es, was sie zu tun hatte: den Dingen ihren Lauf lassen, den Todgeweihten in den Tod zu schicken! Und sich davon nicht beschweren, sich das Gemüt nicht vergällen zu lassen!
Hastig schloss Bathildis die Heiligen Bücher, bestärkt von jenem Gedanken, der vorher noch geflohen war, anstatt – wie jetzt – ihre Entscheidung zu stützen: Dem grausigen Bild galt er, das Ebroin heraufbeschworen hatte, vom unschuldigen Theuderich und wie er Opfer eines heimtückischen Anschlags werdenkönnte. War dies nicht genau jene Gefahr gewesen, die stets die Mächtigen bedroht hatte, sämtliche Könige und Königinnen vor ihr? Und war der geheime Mord nicht eben darum ein unumgängliches Werkzeug jeden Merowingerherrschers? Hatte nicht deren erster König, der große Chlodwig, dessen Namen man ihrem Gatten gegeben hatte, seinen ärgsten Widersacher, den Heermeister Syagrius, hinterrücks erstechen lassen?
Es war nicht Feigheit, sondern Notwendigkeit.
Es musste sein, wenn sie ihre Macht bekunden wollte – vor Ebroin, vor den Klerikern, vor dem ganzen Volk.
Bathildis seufzte tief.
Da ertönten plötzlich Schritte hinter ihr, laut trampelnd vom schnellen Gang, heftiger als jene des Custos. Sie drehte sich um, erwartete einen der narbigen Folterknechte. Vielleicht konnte ihr jener berichten, dass der Bischof gestanden hätte – was der beste denkbare Ausgang wäre.
»Ja?«
Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht eines Mönchs.
»Meine Königin?«, fragte er und schlug die Kapuze nach hinten. Obzwar sie vielen von seinesgleichen begegnet war, hätte sie schwören können, dass sie diesen hier nie gesehen hatte; desgleichen wie auch ihn ihr Antlitz fremd deuchte.
»Ich bin Bathildis, die Regentin... ja.«
Der Mann atmete heftig wie einer, der große Anstrengung hinter sich hat.
»Man sagte mir, Ihr wäret wach... und hier. So kann ich Euch denn heute schon die Botschaft überbringen...«
»Welche Botschaft?«
Sie lächelte hoheitsvoll und gleichsam ausdruckslos, als sie näher zu ihm hintrat. Er hatte kaum den ersten Satz gesagt, da ihr das Lächeln schwand, ihr Gesicht aschfahl wurde und sie sich schwankend gegen eine der Säulen stützte.
XXXIV. Kapitel
Ratlos stand der Mönch vor ihr. Er hatte erwartet, dass sie das Gespräch nicht im Gotteshaus fortsetzen würden, sondern draußen im Hof. Doch kaum war Aidans Name gefallen, so schien kein weiteres Wort mehr Bathildis zu erreichen, und er, der schüchtern die Schultern hochzog, wagte es nicht, sie am Arm zu fassen und hinauszugeleiten.
So standen sie beide still, er betreten, sie kalkweiß und zitternd. Als sie endlich stark genug war, die Säule loszulassen, an der sie sich aufrechthielt, wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war – die Dauer eines Wimpernschlages oder schleppende Stunden –, seit sich der Mönch ihr als Bote des Priesters Dagwulf zu erkennen gegeben hatte, von jenem dazu beauftragt, ihr vom Schicksal eines gewissen Aidan, Sohn des Ricbert, kundzutun. Jener lebte am Hof des Königs von Deira in Northumbrien und hatte das Amt eines Notars inne.
»Ja... ja...«, setzte Bathildis unwillkürlich an. »Ja... das passt zu ihm: Er war nicht stark genug, das Schwert zu führen. Sein Vater hat’s ihm zwar stets befohlen. Doch nach Ricberts Tod sah er gewiss keine Veranlassung... o, sag mir: Hast du ihn selbst gesehen? Hast du mit ihm gesprochen? Oder weißt du nur von anderen über ihn?«
Der Kopf des Mönchs verschwand noch tiefer zwischen seinen beiden Schultern. Er schien sich zu schämen, allein mit einer Frau zu sein, allein mit einer Königin.
»Nun rede schon!«, fuhr Bathildis ihn an.
»Ich war auf dem Rückweg vom Norden, wo die Scoten leben...«, murmelte der Mönch betroffen, indessen er sich hilfesuchend umblickte. »Die meisten von ihnen glauben nicht an Christus, und ich und meine Brüder...«
»Das interessiert mich nicht! Was ist mit Aidan?«
»Es, es gibt nicht viel zu sagen über ihn. Er ist gesund, wenn Ihr das wissen wolltet...«
Langsam wurde Bathildis des Zitterns Herr, in das sich ihre Anspannung entladen hatte.
»Mehr«, drängte sie, »sag mir mehr von ihm! Hast du mit ihm gesprochen? Und worüber? Über mich?«
Der Mönch warf einen vorsichtigen Blick auf den Altar, in der Hoffnung, der himmlische Beistand möge ihn von der Zudringlichkeit der wilden Frau erlösen.
»Er hat ein Weib«, murmelte er
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