Die Reise-Bibel
achtziger Jahren für das Tennis war: Volksheld
und Auslöser eines Booms, den man so nicht erwarten konnte und auf den die Menschen zwischen Kevelaer und Lourdes nicht eingestellt
waren, von denen aus Santiago de Compostela am Ende des Jakobsweges mal ganz abgesehen. Dabei wollte der Recklinghausener
Kerkeling, nun auch schon Mitte vierzig, nur »ein wenig Klarheit in einer hektischen Welt« gewinnen. Es gibt Leute, die für
so was einen Woody-Allen-Film besuchen, Kerkeling wanderte sich sechs Wochen heiße Füße und schrieb anschließend ein gar nicht
mal so launiges Buch darüber. Vermutlich ahnte er nicht, dass er mit ›Ich bin dann mal weg‹ einen Bestseller produzieren und
Tausende von Fußlahmen auf die staubigen Wege Spaniens lotsen sollte. Dabei wäre der nicht gerade austrainierte Komödiant
am liebsten schon nach dem ersten Tag in den Pyrenäen wieder abgereist. Kein Gefühl mehr in den Beinen habe er nach acht Stunden
latschen gehabt, und außerdem hatte es den ganzen Tag geregnet. Dennoch biss Hape sich durch. Und die Pilger-Tourismusbranche
dankt es ihm heute noch.
|87| Kerouac, Jack
Um ein Haar wäre aus der amerikanischen Ikone der spirituellen Tippelbrüderei ein Football-Star geworden – das war jedenfalls
Plan A von Jack Kerouac, als in jungen Jahren sein Vater langsam in den Alkoholismus abdriftete und Jack das Gefühl entwickelte,
er müsse von nun an die Familie ernähren (Plan B übrigens war Versicherungskaufmann). Wie man weiß, wurde aus beiden Plänen
nichts, obwohl Kerouac tatsächlich ein Football-Stipendium an der Uni erhielt und offenbar überaus talentiert war. Stattdessen
verfasste Jack Kerouac 1951 die Bibel der Beat Generation, ›On the road‹ (›Unterwegs‹). Ein Buch, das viele seiner Zeitgenossen
beeinflusste und über das zum Beispiel heute Johnny Depp sagt: »Dieses Buch ist mein Koran!« Es verherrlicht das Leben auf
der Straße, Drogen, Wein, Weib und Gesang. Kerouacs Lebensstil zu dieser Zeit war der eines herumvagabundierenden Cowboys,
der sein Pferd gegen ein Auto eingetauscht hat. Irgendwann wollte Kerouac dann mit den kiffenden und saufenden Horden nichts
mehr zu schaffen haben, sondern als Schriftsteller wahrgenommen werden, doch die seriöse Kritik nahm ihn nicht zur Kenntnis,
Kollegen wie Truman Capote spotteten: »Das ist nicht Schreiben, das ist Tippen!« Kerouac litt zudem zeitlebens unter Geldnot.
Das macht den Umstand, dass die Zeichenpapierrolle, auf der er ›On the road‹ geschrieben hatte, nach seinem Tod für 2,5 Millionen Dollar versteigert wurde, umso infamer.
Kolumbus, Christoph
Wenn man später mal als Entdecker Amerikas in die Geschichtsbücher eingehen will, dann muss man wohl früh anfangen. Schon
als Kind soll sich der um 1451 geborene Christoph für Berichte aus fernen Ländern und Seekarten interessiert haben. Mit 14
fuhr der Sohn eines Wollwebers in Genua zur See, 1476 siedelte er nach Lissabon über und |88| erwarb Kenntnisse in der Seefahrt, knüpfte auch erste Kontakte zu einflussreichen Kaufleuten und Adeligen, weil er glaubte,
einen Seeweg nach Indien gefunden zu haben. Überliefertes Zitat: »Die Welt gehört den Tapferen!« Erst 1492 wurden ihm von
der spanischen Krone die Gelder bewilligt, die Kolumbus brauchte, um den Beweis anzutreten, dass es die Passage nach Indien
wirklich gab. Amerika war nie sein Ziel, und auch als er am 12. Oktober die karibischen Inseln erreichte, glaubte Kolumbus an keine besonders relevante Entdeckung, sondern nur daran, eine
Route auf dem Weg nach »Hinterindien« gefunden zu haben. Heute weiß man, dass der Seefahrer und Pionier Amerika auch nicht
wirklich entdeckt hat, sondern dass das schon fünfhundert Jahre vorher von Isländern geschafft worden ist. Allerdings hat
erst Kolumbus’ »Entdeckung« dafür gesorgt, dass es zur Kolonisierung Amerikas kam.
Kracht, Christian
Für sein ›Faserland‹ drückte sich der scharf gescheitelte Begründer der Popliteratur in Deutschland noch in den Jagdgründen
der deutschen Jeunesse dorée auf Sylt herum, doch schon bald darauf setzte sich Kracht nach Bangkok ab (unter anderem) und
versorgte die irritierte Leserschaft im deutschsprachigen Raum fortan mit Romanen, Magazinbeiträgen und schnöselig naseweisen
Interviews. So ganz schlau wird das deutsche Feuilleton nicht aus dem vielgereisten Kleinwuchs, der zuweilen in kurzer Hose
auftritt und sich selbst als Kosmopolit bezeichnet. Fakt
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