Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Titel: Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Puchner
Vom Netzwerk:
wieder erbarmungslos der Einsamkeit und dem Schnee und der Kälte ausgesetzt, denkt Fritz dank einer gewissen fatalistischen, während seiner Lissabonner Zeit internalisierten, sprich, für sich angenommenen Haltung, dass ein Friedensschluss zwischen ihm und dem Erzherzog, sollte er denn auf den Tafeln des Schicksals vorgesehen sein, auch unweigerlich kommen würde. Mit dieser tröstlichen Gewissheit überließ er sich Solimans Schritt, ganz allein in dieser Landschaft, war doch inzwischen die Rückseite der Kutsche wegen des noch immer herabfallenden Schnees nicht mehr zu erkennen. Die schlechte Sicht ließ einen gerade noch erahnen, wohin man die Füße setzte, doch nicht, wohin sie einen trugen. Dennoch hatte das landschaftliche Relief sich verändert, war es zunächst eher sanft, fast wellenförmig gewesen, so zeigte es sich nun erschreckend gewaltsam, als hätten die Berge einen sich geometrisch fortsetzenden apokalyptischen Spaltungsprozess eingeleitet. Zwanzig Leguas hatten ausgereicht, um die abgerundeten Gebirgsausläufer, die eher an falsche Hügel erinnerten, in jenes wilde Durcheinander von Schluchten und Felsen zu verwandeln, deren Gipfel in den Himmel aufragten und hin und wieder pfeilschnelle Lawinen den Abhang hinabsandten, welche zur künftigen Freude der Skiliebhaber neue Landschaften und Pisten formten. Offensichtlich nähern wir uns dem Isarco-Tal, wobei die Österreicher diesen Fluss hartnäckig Eisack nennen. Sie werden noch mindestens eine Stunde marschieren müssen, bis sie dort ankommen, doch eine von der Vorsehung gesandte Verringerung der Dichte des Schneevorhangs ließ für einen kurzen Moment in der Ferne einen senkrechten Spalt im Berg erkennen. Die Eisackschlucht, sagte der Mahut. So war es. Es ist kaum zu glauben, dass der Erzherzog Maximilian damals tatsächlich beschlossen haben soll, seine Rückreise in dieser Jahreszeit anzutreten, doch die Geschichte hat sie uns als unbestrittene, belegte Tatsache überliefert, von Historikern bestätigt und bezeugt von diesem Romanschreiber, dem man allerdings gewisse Abweichungen verzeihen muss, die nicht nur der dichterischen Freiheit geschuldet sind, sondern auch der Notwendigkeit, Lücken zu füllen, damit die heilige Kohärenz der Erzählung nicht ganz verlorengeht. Im Grunde ist die Geschichte nicht nur selektiv, sondern auch vorurteilsbehaftet, denn sie entnimmt dem Leben nur das Material, das sie interessiert und das von der Gesellschaft als historisch erachtet wird, während sie den ganzen Rest, der vielleicht die wahre Erklärung für die Fakten und Dinge, für diese verdammte Realität liefern könnte, missachtet. In Wahrheit, und das sage ich euch, ist man als Romanschreiber, als Dichter, als Lügner besser dran. Oder als Mahut, trotz der absurden Phantasien, zu denen dieser aufgrund seiner Herkunft oder seines Berufes anscheinend neigt. Auch wenn Fritz nichts anderes übrigbleibt, als sich von Soliman führen zu lassen, müssen wir doch zugeben, dass diese lehrreiche, hier erzählte Geschichte nicht dieselbe wäre, wenn der Elefantenführer ein anderer wäre. Bisher hat die Figur Fritz eine entscheidende Rolle in dieser Erzählung gespielt, sowohl in den dramatischen als auch den komischen Augenblicken, und sogar an die lächerlichen haben wir uns herangewagt, wenn dies für den Schwung der Erzählung erforderlich oder taktisch ratsam war, wobei wir Beschämendes zu kaschieren suchten, indem wir nicht die Stimme erhoben oder den Gesichtsausdruck veränderten und stets darauf bedacht waren, nicht durchscheinen zu lassen, dass er der Einzige ist, der die Mission erfüllen, der den Elefanten nach Wien bringen kann. Diese Betrachtungen mögen dem eher an der Textdynamik als an vermeintlich solidarischen, allgemeinen Äußerungen interessierten Leser unnötig erscheinen,doch Fritz, der, wie wir gesehen haben, wegen der letzten verhängnisvollen Ereignisse ziemlich entmutigt ist, brauchte gerade jemanden, der ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter legt, und mehr haben wir schließlich nicht getan. Wenn die Gedanken abschweifen und uns auf die Flügel des Traumes heben, merken wir gar nicht, welche Entfernungen wir zurückgelegt haben, insbesondere dann, wenn die tragenden Füße nicht die unseren sind. Von der einen oder anderen verirrten Schneeflocke abgesehen, hat es nun zu schneien aufgehört. Der enge Pfad, den wir vor uns haben, ist das berühmte Eisacktal. Auf der einen wie der anderen Seite ragen die Wände der Klamm nahezu

Weitere Kostenlose Bücher