Die Reise in die Dunkelheit
jetzt stolpere ich über meine eigenen Hammelbeine. Und in Sachen Futter muss ich mir was überlegen … Was zum Anziehen organisieren … Die Freiheit ist wie eine Frau: Wenn man sie kriegt, ist man hin und weg . A ber danach hat man nichts als Ärger damit. Du hast nicht zufällig noch was zu beißen?«
Ein unterhaltsamer Typ, dieser Mann … Sein Alter konnte man nicht einmal ansatzweise schätzen. Ein Mensch außerhalb der Zeit. Schon im Tunnel des Roten Wegs war Taran eine Tätowierung an seinem Oberarm aufgefallen, aber er hatte sie nicht richtig erkennen können. Ob er mal danach fragen sollte?
Doch er kam nicht mehr dazu. Vor ihnen tauchte bereits der Kontrollposten der Swjosdnaja auf. Taran musste sich mit den Wachposten herumärgern und danach ergab sich keine Gelegenheit mehr.
In der Überleitstelle zwischen der Swjosdnaja und der Moskowskaja ging der Exgefangene seines Weges. Er marschierte in einen Tunnel, in dem seinerzeit eine Feuerlöschanlage untergebracht gewesen war. Inzwischen hatten sich in dem abgelegenen Winkel Handwerker niedergelassen. Hatte der Unbekannte beschlossen, in diesem stillen Hafen ein neues Leben zu beginnen? Oder wollte er dem Stalker mit seiner Anwesenheit nicht länger zur Last fallen?
Während Taran der hageren Gestalt hinterhersah, fiel ihm ein, dass er seinen Retter nicht mal nach seinem Namen gefragt hatte.
»He, warte mal! Wie heißt du überhaupt?«
Der Glatzkopf drehte sich um.
»Andrej. Hasta siempre, Commandante. Bis in alle Ewigkeit, Mann.«
18
IM SUMPF
Nachdem Palytsch seinen morgendlichen Rundgang beendet hatte, krückte er in sein Büro zurück, schloss die Tür und erlaubte sich erst jetzt, jene gebeugte Haltung einzunehmen, die seinem greisen Rücken angemessen war. Er hatte Kreuzschmerzen und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Wer hätte gedacht, dass er auf seine alten Tage die Leitung einer ganzen Station übernehmen musste?
Nikanors Tod war für die Siedlung ein schwerer Schlag gewesen und die Suche nach einem Nachfolger ein echtes Problem . A lle Jüngeren, die etwas im Kopf hatten, waren längst ins wohlhabende Zentrum übersiedelt, wo es sich bequemer lebte als an der entlegenen Moskowskaja . A ber auch unter den Älteren gab es praktisch niemanden, der in der Lage gewesen wäre, die Verantwortung für die Bewohner auf seine Schultern zu laden. So hatte es sich ergeben, dass die auf Verlässlichkeit bedachten Siedler einmütig an den verantwortungsvollen und unermüdlichen Palytsch dachten, als die Wahl des neuen Stationsvorstehers anstand.
Der alte Mann atmete durch, zog das uralte Telefon zu sich heran und nahm den Hörer ab. Freizeichen. Dann rauschte und knackte es am anderen Ende der Leitung, und plötzlich meldete sich eine Frauenstimme.
»Vermittlung«, sagte sie in genervt gelangweiltem Tonfall, als hätte man sie gerade beim Nägelfeilen gestört.
Palytsch zuckte überrascht zusammen, richtete sich auf, soweit sein bandscheibengeschädigter Rücken das zuließ, und fasste den Hörer mit beiden Händen.
»Ich bräuchte eine Verbindung zum Handelsring, Fräulein.«
»Welche Station?«
»Die Sennaja , bitte, die Sennaja .«
»Warten Sie. Ich verbinde …«
Wieder Knackgeräusche und ein kaum hörbares Piepsen.
»Hier Terentjew.«
Der alte Mann sprang auf wie von der Tarantel gestochen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Hier ist Palytsch … äh … Demjan Pawlowitsch, der neue Stationsvorsteher der Moskowskaja !«
Es dauerte einige Sekunden, bis die Information angekommen war.
»Und was ist mit Nikanor?«, entgegnete die strenge Stimme.
»Der ist verstorben, leider …« Der alte Mann seufzte. »Ich bin jetzt an seiner Stelle.«
»Hör mal, Demjan Pawlowitsch, ich würde mich ja gern mit dir unterhalten, aber können wir das auf ein anderes Mal verschieben? Ich habe eine Menge zu tun.«
»Ich habe eine Nachricht von Taran!«, sagte Palytsch wie aus der Pistole geschossen, da er befürchtete, dass der Chef der Sennaja auflegen könnte.
»Von Taran?« Terentjew horchte auf. »Wird aber auch Zeit. Der letzte Tag des Ultimatums läuft ab, und wir stehen immer noch mit leeren Händen da. Was hat er mitzuteilen?«
»Er lässt ausrichten, dass …« Der alte Mann schaute auf seinen Notizzettel. »… dass er eine heiße Spur hat. Hören Sie? Er hat eine Spur! Sie führt ins Pulkowo-Observatorium. Der Stalker macht sich gerade auf den Weg dorthin!«
»Allein? Durch die Südlichen Sümpfe? Das ist
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